Schlagwort-Archive: Radioaktivität

Nachgerechnet: Ist der Super-GAU bezahlbar?

Bis zu 430 Mrd. Euro kostet ein Super-GAU laut FÖS-Studie.

Ein Super-GAU koste bis zu 430 Milliarden Euro und sei durch die bestehende Haftungs- und Deckungsvorsorge nicht abgedeckt, sagt eine kürzlich erschienene Studie. Selbst wenn die Summe stimmen sollte: Ist so etwas überhaupt bezahlbar? Eine Überschlagsrechnung zeigt: Ja, kein Problem.
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Dreisatztricksereien – Oder: Die verlorenen Mädchen von Gorleben

Säugling (Quelle: Stupidedia)

In der vergangenen Woche fand der Artikel »Gestörtes Geschlechterverhältnis durch Atommüll« des österreichischen »Standard« besondere Aufmerksamkeit. Die Autorin Julia Herrnböck bezieht sich auf die Untersuchung »Verlorene Mädchen« des Biostatistikers Hagen Scherb. Er hat das Zahlenverhältnis zwischen lebendgeborenen Mädchen und Jungen untersucht. Gestört sei es, dieses Zahlenverhältnis, meint Scherb, und zwar im Umkreis von 40 km um das Transportbehälterlager Gorleben herum, in dem hochradioaktiver Atommüll zwischengelagert ist. Dreisatztricksereien – Oder: Die verlorenen Mädchen von Gorleben weiterlesen

300 Tonnen täglich – Wie gefährlich ist das Fukushima-Wasser?

Neulich hatte ich hier über 100 Tonnen sauberes Grundwasser geschrieben, die TEPCO, Betreiberfirma des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi, täglich ins Meer leiten möchte, aber nicht darf. Seit dem 7. August 2013 wissen wir, daß unabhängig davon jeden Tag 300 Tonnen radioaktives Wasser ins Meer fließen, wie etwa die englischsprachige Japan Times berichtet. Woher kommt dieses Wasser? Wieso wird es radioaktiv? Wie kann man verhindern, daß es ins Meer fließt? Und vor allem: Wie gefährlich ist das eigentlich? 300 Tonnen täglich – Wie gefährlich ist das Fukushima-Wasser? weiterlesen

Lügen durch Weglassen oder: Warum schweigt der Minister?

Ist es Lüge, wenn ich nicht die ganze Wahrheit sage? Ist es Unwahrheit, wenn ich nur über bestimmte Dinge spreche, andere aber unter den Tisch fallen lasse?

Lügen durch Weglassen: Beschränkung auf einen Teilausschnitt ändert die Bildaussage fundamental.

Wie das geht, zeigt das nebenstehende Bild aus dem Irakkrieg. Je nachdem, auf welchen Ausschnitt des Gesamtbildes ich mich beschränke, ist die Aussage eine völlig andere. Links bekomme ich den bösen Soldaten, der einen Wehrlosen mit der Waffe bedroht, rechts den guten Soldaten, der einem Hilflosen Wasser einflößt. Durch geschicktes Weglassen eines Teils der Wahrkeit lüge ich zwar nicht direkt, aber ich verzerre die Wirklichkeit auf eine Art und Weise, die ihr nicht entspricht und mit der ich die Einstellung des Betrachters gezielt manipulieren kann, hier: seine Haltung zum amerikanischen Militär.

Doch nicht nur Bildjournalisten können durch Weglassen lügen. Unser Bundesumweltministerium kann das auch. Lügen durch Weglassen oder: Warum schweigt der Minister? weiterlesen

Grundwasser in Fukushima radioaktiv verseucht! Oder doch nicht?

Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi. Im Vordergrund Tanks mit kontaminiertem Wasser, im Hintergrund die zerstörten Reaktorblöcke 1 bis 4. Quelle: Kiwinews

In den japanischen und englischsprachigen Medien macht gerade die Meldung die Runde, das Grundwasser in Fukushima sei radioaktiv verseucht. Tepco finds groundwater contaminated with radioactive cesium, titelt beispielsweise die Japan Times. In Reversal, Tepco Says Water at Fukushima Is Contaminated, ist in der New York Times zu lesen.

Grundwasser ins Meer

Worum geht es? TEPCO, die Betreiberfirma des havarierten Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi, kämpft mit gewaltigen Grundwassermengen, die durch Risse in die zerstörten Reaktorgebäude eindringen. Es fließt also kein radioaktives Wasser aus den Gebäuden heraus, wie viele glauben, sondern es ist genau umgekehrt: Wasser strömt hinein – und zwar jeden Tag 400 Kubikmeter.
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10 coole Fakten zum Atommüll

Von Things Worse Than Nuclear Power (Übersetzung: Rainer Klute)

  1. Wie der Größenunterschied zwischen Mensch und Mond: die Energiedichten von chemischen und Kernbrennstoffen

    Atommüll aus gebrauchten Brennelementen enthält noch 95% seiner Energie. Wenn wir die nicht nutzen, ist das, wie wenn man von einem Liter Limo ein paar Esslöffel nimmt und den Rest wegkippt.

  2. Die Energiedichte von Kernbrennstoff ist rund 2.000.000 Mal höher als die von Kohle, Öl oder Biomasse. Das heißt: die Menge an Atommüll ist superklein im Vergleich zu der superriesigen Menge an freigesetzter Energie. 2.000.000 Mal – das ist dasselbe Verhältnis wie zwischen dem Durchmesser des Mondes und der Größe eines Erwachsenen.
  3. Atommüll kann recycelt werden. Während des Recyclens produziert er Energie, statt welche zu verbrauchen. Bill Gates steht hinter einem Unternehmen, das genau dies auf eine neue Art und Weise tun will.
  4. Der Integral Fast Reactor (IFR)

    Durch das Recyclen wird die radioaktive Lebensdauer der Abfälle auf rund 300 Jahre verkürzt. Dies (Punkt 3 und 4) ist mit Hilfe Schneller Reaktoren möglich – nachgewiesen in über 400 Reaktorjahren Betriebserfahrung.

  5. Es ist wirklich cool, dass alle radioaktive Elemente mit der Zeit zerfallen – und je radioaktiver sie sind, desto schneller geht das. Einige Elemente zerfallen in wenigen Sekunden. Als Faustregel gilt, dass die Elemente nach dem Zehnfachen ihrer Halbwertszeit effektiv verschwunden sind.
  6. Mit einem Geigerzähler kannst du deine Radioaktivität messen. Ja, deine, denn du bist radioaktiv!

    Man kann sogar ein einzelnes Atom radioaktiven Materials erkennen. So leicht und mit solch hoher Genauigkeit geht das mit anderen Schadstoffen nicht, obwohl sie noch gefährlicher sind, z.B. Quecksilber, Blei, Stickoxide oder Schwefeldioxid. Weltweit setzen mit fossilen Brennstoffen befeuerte Kraftwerke jede Minute erhebliche Mengen dieser gefährlichen Schadstoffe frei. Und die zerfallen nicht mit der Zeit. Viel schlimmer: Metalle wie Quecksilber reichern sich im Körper an.

  7. Spaltprodukte retten Leben. Viele wichtige medizinische Isotope – zum Beispiel für Krebsdiagnostik und -therapie – lassen sich nur durch Bestrahlung in Kernreaktoren herstellen. Cäsium-137, ein Spaltprodukt, kann Blut in Blutbanken schützen und das Leben von Babys und an Immunschwäche Leidenden retten. Dies nur als ein einziges Beispiel, wie sich Spaltprodukte aus Kernreaktoren nutzen lassen.
  8. Transportbehälter wie der CASTOR zählen zu den widerstandsfähigsten Strukturen, die je von Menschen gemacht wurden. Sie können Stürze aus großer Höhe, Flugzeugabstürze oder Explosionen überstehen.
  9. Medizinische Isotope werden in Kernreaktoren produziert.

    In der Geschichte der kommerziellen Kernkraftnutzung gibt es keinen einzigen bekannten Fall, in dem gebrauchter Kernbrennstoff gestohlen wurde. Er besteht aus viel zu vielen verschiedenen Substanzen und ist in der Handhabung zu problematisch für jemanden, der Böses im Schilde führt.

  10. Selbst wenn man die schlimmsten Unfälle in kerntechnischen Anlagen mitzählt, schneidet Kernenergie in puncto Sicherheit unter allen Energiearten am besten ab und hat die wenigsten Todesfälle pro erzeugtem Terawattjahr – vor jeder anderen Art der Energieerzeugung einschließlich Windkraft, Photovoltaik, Erdgas und Kohle. In der gesamten Geschichte der Kernkraftnutzung in den USA ist kein einziger Mensch ums Leben gekommen, weil er der Strahlung aus Atommüll ausgesetzt gewesen wäre.

Also: Haben wir es wirklich mit »Abfall« zu tun? Oder ist das nicht eher gebrauchter Brennstoff mit einer Menge Mehrwert für unsere Gesellschaft?

Diesen Beitrag findet ihr im englischsprachigen Original unter 10 Cool things about Nuclear Waste von Things Worse Than Nuclear Power.

Strahlenschutz der Realität anpassen!

Das Reaktorunglück im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi und die radioaktiven Freisetzungen zwangen 160.000 Menschen dazu, ihre Heimat zu verlassen. 70.000 von ihnen dürfen auch jetzt noch nicht in ihre Häuser zurück.

Grundlage für Evakuierungsmaßnahmen sind Strahlenschutzvorschriften. Deren Grundgedanke ist es, Strahlenbelastungen der Menschen möglichst zu vermeiden. Daher evakuiert man lieber zu früh als zu spät. Allerdings bedeuten auch Evakuierungsmaßnahmen eine Belastung für die Betroffenen. So starben in Fukushima 1.100 Menschen an den Folgen der Evakuierung.

Durch die Strahlung hingegen kam niemand ums Leben, auch nicht im Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi selbst. Die Frage ist also berechtigt, ob die Evakuierungsmaßnahmen nicht mehr Schaden als Nutzen angerichtet haben. Wenn man dies bejaht, schließt sich die nächste Frage an: Wie hoch darf die Strahlenbelastung sein, um unterhalb der Evakuierungsbelastung zu bleiben?

Dr. Jerry Cuttler beschäftigt sich in seiner Forschungsarbeit seit über 15 Jahren mit den gesundheitlichen Folgen von Niedrigstrahlung, also Strahlung in der Größenordnung, wie sie in Fukushima und anderswo in der Welt auftritt. In seinem Paper Commentary on Fukushima and Beneficial Effects of Low Radiation faßt er die Ergebnisse internationaler Forschungen zusammen und gibt einen Überblick über den aktuellen Wissensstand.

Das Ergebnis dürfte manchen überraschen: Der Mensch ist für deutlich höhere Strahlendosen geschaffen, als allgemein angenommen wird.

Cuttler fordert, die Strahlenschutzvorschriften der Realität anzupassen und denkt an den von der Internationalen Strahlenschutzkommission (ICRP) im Jahr 1934 ursprünglich festgelegten Grenzwert von 0,2 r/d, was umgerechnet etwa 680 mSv/a (Millisievert pro Jahr) entspricht. Zum Vergleich: Die deutschen Strahlenschutzvorschriften legen eine effektive Dosis von 20 mSv/a für beruflich strahlenexponierte Personen fest und 1 mSv/a für die allgemeine Bevölkerung.

Cuttlers Aufsatz erschien in der März-Ausgabe 2013 des Canadian Nuclear Society Bulletin und ist nun frei verfügbar. Ich übersetze hier die Zusammenfassung:

»Zwei Jahre, nachdem 160.000 Menschen aus Fukushima evakuieren mußten, dürfen 70.000 bis heute nicht zurückkehren. Die 1.100 Opfer der Evakuierungsanordnung zeigen, daß diese Vorsichtsmaßnahme, die die Krebsrisiken minimieren sollte, keineswegs »konservativ« war. Hier werden aktuelle Studien untersucht hinsichtlich der Auswirkungen radioaktiver Freisetzungen und hinsichtlich des Nutzens medizinischer Strahlenanwendungen, die bis zu den 1950er Jahren durchgeführt wurden – bevor die Strahlungsangst entfesselt wurde. Aktuelle Forschungen beleuchten die hohe Anzahl spontaner Doppelstrangbrüche in der DNS und den adaptiven Schutz in Zellen, Gewebe und Menschen – ein Schutz, der durch Niedrigstrahlung verstärkt wird. Diese Verteidigungsmechanismen schützen; sie reparieren, entfernen und ersetzen Schäden sämtlicher Ursachen einschließlich externer Einwirkungen. Die Krebssterblichkeit wird reduziert. Das ICRP-Konzept des Strahlungsrisikos ist falsch. Es sollte auf den Stand von 1934 zurückgesetzt werden, das eine Dosis von 0,2 r/d erlaubte – auf der Grundlage von 35 Jahren medizinischer Erfahrung.« [0,2 r/d (Röntgen pro Tag) sind umgerechnet etwa 680 mSv/a.]

Verbrennen statt verbuddeln – der Atommüll-Antrag der Nuklearia

Nuklearia-LogoZwei Anträge hat die Nuklearia an den Bundesparteitag der Piratenpartei gestellt, der Ende November in Bochum stattfindet. Einer der beiden befaßt sich mit dem Thema Atommüll-Entsorgung. Worum geht es da genau?

Eins ist ja bei allem pro und contra Kernenergie unbestritten: Durch den Betrieb der Leichtwasserreaktoren hat sich eine Menge Atommüll angesammelt. Und wenn ich hier von »Atommüll« rede, dann meine ich die hochradioaktiven, langlebigen Abfälle aus abgebrannten Brennelementen. Diese Abfälle machen 98 Prozent der Radiotoxizität aller radioaktiven Abfälle aus. Sie verschwinden nicht, wenn das letzte Kernkraftwerk in Deutschland vom Netz geht. Wir müssen uns also aktiv um eine Lösung kümmern. Das macht der Nuklearia-Antrag.

Was will der Nuklearia-Antrag?

Unser Antrag stellt den Piraten die drei verschiedenen, international diskutierten Möglichkeiten vor, Atommüll zu entsorgen. Die Piraten mögen dann entscheiden, welche Variante (oder welche Varianten) sie bevorzugen beziehungsweise in welcher Variante sie das kleinere Übel sehen.

  1. Modul A: Direkte Endlagerung ist das, was das in Deutschland derzeit geltende Atomrecht für radioaktive Abfälle vorsieht. Der Substanzmix aus den genutzten Brennelementen braucht rund 300.000 Jahre , um auf das Radiotoxizitätsniveau von natürlich vorkommendem Uranerz abzuklingen.
  2. Modul B: Plutonium-Wiederaufarbeitung wird in einigen Ländern praktiziert. Dabei wird das Plutonium aus den abgebrannten Brennelementen für die Herstellung neuer Brennelemente verwendet (PUREX-Verfahren). Das kann man allerdings nicht beliebig oft machen, so daß der Rest dann doch endgelagert werden muß. Insgesamt ergibt sich eine Verminderung der Radiotoxizität um 10 Prozent. In Deutschland ist die Wiederaufarbeitung verboten.
  3.  Modul C: Transmutation wandelt die langlebigen Substanzen in kurzlebige um. Das geschieht in sogenannten Schnellen Reaktoren. Durch die Transmutation geht die Radiotoxizität dramatisch zurück: Das Niveau von Uranerz wird bereits nach 300 Jahren erreicht. Nach weiteren 500 Jahren ist die Radiotoxizität auf 0,01 Promille des Ausgangswertes gefallen. – Außerdem setzt die Transmutation große Mengen Energie frei, die Deutschland jahrhundertelang klimafreundlich mit Strom versorgen könnte. Kein Wunder, enthalten die »abgebrannten« Brennelemente noch gut 96 Prozent ihrer Energie!

Die Teilnehmer des Parteitages können für keines, eines oder mehrere dieser Module stimmen. Mit einer Mehrheit für ein bestimmtes Modul bringt die Piratenpartei zum Ausdruck: Diese Richtung wollen wir bevorzugt verfolgen, beispielsweise durch Forschungsförderung. Eine Priorisierung der Forschungsziele ist wichtig, weil wir jeden Euro nur einmal ausgeben können. Geld, das wir in die Entforschung und Weiterentwicklung der Endlagerung stecken, steht zur Transmutationforschung nicht mehr zur Verfügung – und umgekehrt. – Eins ist jedoch klar: Eine Präferenz für die eine Richtung schließt das Nachdenken, Diskutieren und Forschen in anderen Richtung keineswegs aus.

In welcher Richtung sieht die Piratenpartei denn die besten Erfolgschancen? Das wollen wir mit Hilfe unseres Antrags herausfinden. Die Präferenz der Nuklearia ist klar: Wir plädieren für Transmutation (Modul C)! Wir meinen: Nur so läßt sich das Übel an der Wurzel packen. Und das Beste daran: Das alles ist kein Hirngespinst, das sich irgendwelche abgefahrenen Physiker im Elfenbeinturm ausgedacht haben. Das Verfahren wurde und wird gründlich erforscht und praktisch umgesetzt. Wer mehr darüber wissen will,  sollte sich zum Beispiel die Infos der Nuklearia zum Integral Fast Reactor anschauen und den Links dort folgen.

Einwände

Natürlich gibt es Einwände gegen unseren Antrag:

»Einem Antrag, der von der Nuklearia kommt, werde ich niemals zustimmen!«

Das ist ja mal ein überaus großartiger Grund, der uns der Lösung des Atommüllproblems ganz bestimmt näher bringt!

»Ich will kein Endlager, keine Wiederaufarbeitung und keine Transmutation.«

Klar, es ist dein gutes Recht, keinem der drei Module deine Stimme zu geben. Du mußt dich allerdings fragen lassen: Was willst du denn dann? Wie sieht deine Alternative aus? Was ist dein Lösungsvorschlag? Bloß dagegen zu sein, löst das Problem ja nicht.

Wenn dir keine der Alternativen richtig gut gefällt, kannst du ja immerhin überlegen, was für dich das kleinste Übel ist. Wenn du für diese Variante stimmst, verhinderst du die beiden anderen, die du ja schlimmer findest.

Übrigens: Wer für gar kein Modul stimmt, stimmt damit implizit für Modul A. Denn die direkte Endlagerung ist ja bereits Gesetz. Ablehnung aller Module heißt: Ich sehe keinen Bedarf, irgendetwas zu ändern. Mit der Endlagerung bin ich einverstanden.  Wenn du das wirklich okay findest, dann stimme halt für nichts oder für Modul A.  Wenn du aber etwas ändern möchtest, dann stimme für Modul B (empfehlen wir nicht) oder Modul C (das empfehlen wir).

»Kann man das Zeug nicht rückholbar zwischenlagern, bis irgendwann in der Zukunft eine Lösung gefunden wird?«

Ja, kann man. Und das ist auch gar keine schlechte Idee, zumindest für einige Zeit. Der Antrag »Verantwortungsvoller Umgang mit radioaktivem Material und Atommüll« (PA 208) der Antiatompiraten scheint ja in diese Richtung zu gehen, auch wenn dort der Schwerpunkt eher auf schwach- und mittelaktiven Abfällen liegt.

Wir haben eine solche langfristige Zwischenlagerung aber nicht als Modul D in unseren Antrag aufgenommen, weil es eben nur eine Zwischenlösung ist und keine endgültige. Zwischenlagern ist ja das, was wir zur Zeit machen, denn wir haben kein Endlager, wir haben keine Wiederaufarbeitung, und wir haben keine Schnellen Reaktoren oder subkritischen Transmutationsanlagen.

Allerdings können wir die hochaktiven Abfälle nicht für alle Zeiten zwischenlagern. Neben den Kosten spricht ein physikalisches Argument dagegen: Durch die radioaktiven Zerfallsprozesse steigt der Anteil des spaltbaren Materials mit der Zeit an und macht die Abfälle attraktiv für Bombenbauer. Das spaltbare Plutonium-239 in den abgebrannten Brennelementen ist anfangs mit soviel nichtspaltbarem Plutonium-240 versetzt, daß es insgesamt nicht waffenfähig ist. Das Plutonium-240 zerfällt aber aufgrund seiner kürzeren Halbwertszeit schneller als das Plutonium-239, dessen Konzentration steigt an, und das Plutonium insgesamt wird immer waffenfähiger.

Ein Langzeitzwischenlager, das zur Plutonium-Mine mutiert und aus dem man sich als Staat oder als Terrorist einfach bedienen kann, ist vielleicht doch nicht so prickelnd. Da hätte ein Endlager ohne Rückholoption doch gewisse Vorteile. Denn wenn der Bombenbauer nicht an das Material herankommt, wenn er womöglich nicht einmal weiß, wo es zu finden ist, erschwert das seine Arbeit beträchtlich.

Noch besser wäre es natürlich, das Plutonium von vornherein zu vernichten, denn dann wäre man es endgültig los – siehe Modul C.

»Transmutation erscheint mir fragwürdig. Ich warte lieber auf eine Lösung, die in der Zukunft gefunden wird.«

Auch in fernster Zukunft wird es nur zwei Möglichkeiten geben, mit den langlebigen Stoffen umzugehen:

  • Man läßt sie heil und verwahrt sie sicher für eine sehr, sehr lange Zeit.
  • Man macht sie kaputt und verwahrt die Bruchstücke (Spaltprodukte) für eine vergleichsweise kurze Zeit.

Weitere Möglichkeiten kann es prinzipbedingt nicht geben. Jede wie auch immer geartete Lösung wird die langlebigen Substanzen entweder intakt lassen oder spalten. Innerhalb dieser beiden Lösungsräume kann es unterschiedliche konkrete Lösungen geben: immer bessere, immer sicherere Endlagerungsverfahren oder immer bessere, immer sicherere Schnelle Reaktoren.

Dummerweise fallen kluge Endlagerungsverfahren und pfiffige Reaktorkonzepte nicht vom Himmel. Sie sind Ergebnis harter Forschungs- und Entwicklungsarbeit. Durch Nichtstun und Abwarten kommen wir nicht weiter. Deshalb müssen wir Geld in die Hand nehmen und in die Forschung investieren. Wir müssen jungen Nuklearwissenschaftlern und Ingenieuren Perspektiven, Projekte und Positionen bieten – und zwar in Deutschland! Und das müssen wir heute tun und nicht irgendwann später!

Wir müssen uns entscheiden, in welche Richtung unsere Forschung laufen soll. Stecken wir das gesamte Budget in die Endlagerforschung? Stecken wir alles in Transmutationsforschung? Fördern wir beides parallel, aber dann zwangsläufig nur halbherzig und mit halbem Budget? Das ist eine politische Entscheidung, die wir gesamtgesellschaftlich treffen müssen. Die Nuklearia lehnt den Lösungsraum Endlagerung ab und plädiert für die Transmutation. Hier sollten wir die bereits vorhandenen Erkenntnisse und Verfahren praktisch anwenden, Erfahrungen gewinnen und darauf aufbauend weitere Lösungen entwickeln!

»Ich halte Transmutation für keine gute Lösung, denn dafür müßte man ja wieder Reaktoren bauen.«

Ja, das stimmt. Das ist die Alternative: Atommüll für 300.000 Jahre sicher verwahren oder neue Reaktoren bauen, um damit das Zeug zu spalten und Energie zu gewinnen.

Aber was für Reaktoren sind das? Es sind völlig andere als die heutigen Leichtwasserreaktoren. Die wesentlichen Eigenschaften in puncto Sicherheit:

  • Flüssigmetallgekühlte Schnelle Reaktoren arbeiten unter Normaldruck und nicht unter dem gewaltigen Überdruck eines Leichtwasserreaktors. Bei einer Beschädigung kommt es nicht zu einer Dampfexplosion, die das Reaktor-Containment hoffentlich auffängt, sondern es läuft lediglich etwas flüssiges Blei oder Natrium aus. Da aber kein Überdruck besteht, beschränkt sich der Schaden auf die Anlage, und der Reaktor behält sein Kühlmittel.
  • Moderne Reaktoren sind inhärent sicher. Das bedeutet, die Sicherheit hängt nicht von entsprechenden Sicherheitseinrichtungen und Notfallverfahren ab, sondern basiert ausschließlich auf den Naturgesetzen. Die haben den Vorteil, nicht auszufallen. Die Anlage wird „walk-away safe“. Das bedeutet: Selbst wenn es zu einem totalen Stromausfall kommt und kein Personal mehr vorhanden ist, bleibt der Reaktor dennoch in einem sicheren Zustand. Das hat man 1986 am Experimental Breeder Reactor II getestet, indem man dem Reaktor unter Vollast die Kühlung abgeschaltet hat.
  • Der Integral Fast Reactor verfügt über eine mit dem Reaktor integrierte Wiederaufarbeitungsanlage. Der Kernbrennstoff muß nicht durch die Gegend gefahren werden, sondern bleibt stets dort, wo er hingehört: in der Anlage.

Links

RWE: Die Zukunft nicht im Blick

RWE steige nach Deutschland jetzt auch international aus der Kernenergie aus, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Das finanzielle Risiko beim Bau neuer Kernkraftwerke sei zu hoch. Man wolle sich mehr auf Photovoltaik konzentrieren.

Teure Kernkraftwerke

Klar, die Investitionen in ein neues Kernkraftwerk sind nicht ohne! So ein typischer Leichtwasserreaktor steht immerhin unter dem enormen Überdruck von rund 150 Atmosphären; dafür braucht’s einen Reaktordruckbehälter mit 20 cm dicken Stahlwänden. Der ist daher »etwas« teurer als ein Schnellkochtopf aus dem Kaufhaus. Für den Fall, daß es irgendwo im Primärkreislauf zu einem Riß kommt und sich das Kühlwasser schlagartig in Dampf verwandelt und auf das tausendfache Volumen ausdehnt, steckt das Ganze in einem gewaltigen Containment aus dicken Betonwänden, mitunter sogar aus doppelten Betonwänden wie bei Arevas EPR-Reaktor.

Ach ja, die Kühlsysteme kommen als weitere Kostentreiber hinzu, und die müssen mindestens doppelt und dreifach vorhanden sein. Nicht zu vergessen die Notstromversorgungen, passive Kühlung und ein Core Catcher, im Fall der Fälle den geschmolzenen Kern auffängt und dafür sorgt, daß nichts in die Umwelt gelangt.

Ja, teuer sind sie, diese modernen Kernkraftwerke! Und Sympathien gewinnt man damit auch nicht überall.

Hinterhergehen

Da hat man es als Energieversorger ja doch leichter, wenn man, statt vorwegzugehen, einfach dem gerade aktuellen Trend hinterherläuft und statt auf Kernkraft auf Solarenergie setzt. Natürlich, Photovoltaik hat ihren Platz, aber wer ein bißchen nachrechnet, erkennt schnell, daß sie den Energiebedarf Deutschlands niemals wird decken können.

Was Photovoltaik abwirft – und aufgrund physikalischer Gesetze jemals wird abwerfen können –, reicht für eine Energieversorgung der Zukunft nicht aus. Das gilt erst recht für die Grundlast, denn nachts und bei schlechtem Wetter liegt die Photovoltaikleistung bei Null. Heute sorgen Kohle-, Öl- und Gaskraftwerke für die Grundlast. Die wird man aber kaum als zukunftsweisend betrachten, denn sie beschleunigen den Klimakollaps, verschmutzen die Umwelt und verbrauchen begrenzte Ressourcen. Kohlekraftwerke geben überdies ein Vielfaches der Radioaktivität eines Kernkraftwerks an die Umwelt ab. Nein, RWE, mit fossilen Kraftwerken läßt sich erst recht nicht vorweggehen!

VORWEGGEHEN in Japan – mit dem Thorium-Flüssigsalzreaktor

Auf die Herausforderung, leistungsstarke und grundlastfähige Energiequellen für morgen bereitzustellen, hat als erster Energieversorger kürzlich die japanische Chubu EPCO reagiert und ein Forschungsprogramm für einen Thorium-Flüssigsalzreaktor aufgelegt. Das ist eine völlig andere Art der Kernenergie, die mit den herkömmlichen Leichtwasserreaktoren praktisch nichts mehr gemein hat.

Einige Eigenschaften des Thorium-Flüssigsalzreaktors:

  • Der Betrieb erfolgt bei Normaldruck, daher besteht keine Gefahr von Dampfexplosionen.
  • Aufwendige und teure Sicherheitssysteme sind überflüssig. Bei Problemen geht der Reaktor einfach aus, ohne daß irgendwer irgendwas tun muß.
  • Die Kühlung erfolgt nicht mit Wasser, sondern mit geschmolzenem Salz.
  • Eine Kernschmelze ist nicht möglich, da der Brennstoff ohnehin bereits in flüssiger Form im Salz gelöst vorliegt.
  • Kleine Einheiten »von der Stange« ermöglichen eine dezentrale Energieversorgung.
  • Statt Uran kommt Thorium als Brennstoff zum Einsatz. Thorium kommt drei- bis viermal häufiger als Uran vor.
  • Der Brennstoff wird zu fast 100 Prozent ausgenutzt, nicht bloß zu 0,7 Prozent wie bei traditionellen Reaktoren. Daher braucht man für die gleiche Leistung weniger als ein Hundertstel der Brennstoffmenge.
  • Dem Brennstoff kann man langlebigen Atommüll (Transurane) aus Leichtwasserreaktoren beimischen, den Müll auf diese Weise loswerden und dabei auch noch Energie gewinnen.
  • Brennstoff wird im laufenden Betrieb ständig zugefügt. Stillstand wegen Brennelementwechsels ist überflüssig.
  • Spaltprodukte werden im laufenden Betrieb ständig aus dem Brennstoff entfernt.
  • Für die Spaltprodukte reicht eine Lagerdauer von maximal 300 Jahren aus. Die meisten Spaltprodukte kommen mit einigen Jahrzehnten oder weniger aus. Ein Endlager für Hunderttausende oder Millionen von Jahren ist überflüssig.
  • Spaltprodukte sind nicht einfach Abfall, sondern teilweise wertvolle Stoffe wie zum Beispiel stabiles Neodym für starke Magnete in Kopfhörern und Windkraftanlagen oder radioaktives Molydän-99 für die medizinische Diagnostik.

Am Thorium-Flüssigsalzreaktor (Liquid Fluoride Thorium Reactor, LFTR) arbeiten außer in Japan Teams in China, Tschechien, Australien und den USA. Grundlage ist das Molten-Salt Reactor Experiment (MSRE), das von 1965 bis 1969 in den USA erfolgreich lief. In den 1970er Jahren geriet es aber in Vergessenheit und gelangte erst 2006 wieder in den Fokus. Experten rechnen mit Kosten, die noch unterhalb von Kohle liegen. Das wird die Flüssigsalztechnik auch für Entwicklungs- und Schwellenländer interessant machen, die heute massiv Kohlekraft ausbauen.

Konkrete Ergebnisse der Forscherteams sind bereits in den nächsten Jahren zu erwarten. Deutschland hat sich in diesem Bereich leider aus Forschung und Entwicklung ausgeklinkt. Vorweggehen sieht anders aus. Schade!