Schlagwort-Archive: Japan

Japan: Zurück zu sinnvollen Strahlungsstandards

Die derzeit in Japan geltenden Strahlenschutzregelungen sollen revidiert und an wissenschaftliche Erkenntnisse angepaßt werden. Das fordert eine Gesetzesinitiative, die jetzt in das japanische Unterhaus eingebracht wurde, wie The Japan News berichtet. Japan: Zurück zu sinnvollen Strahlungsstandards weiterlesen

IAEA veröffentlicht Schlußbericht: Kernenergie nach Fukushima

Am 31. August veröffentlichte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA ihren Schlußbericht zum Reaktorunfall im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi. Was waren die Ursachen des Unglücks? Welche Folgen hatte er für die Kernenergie weltweit? Und was haben Deutschland und die Energiewende damit zu tun? IAEA veröffentlicht Schlußbericht: Kernenergie nach Fukushima weiterlesen

300 Tonnen täglich – Wie gefährlich ist das Fukushima-Wasser?

Neulich hatte ich hier über 100 Tonnen sauberes Grundwasser geschrieben, die TEPCO, Betreiberfirma des Kernkraftwerks Fukushima-Daiichi, täglich ins Meer leiten möchte, aber nicht darf. Seit dem 7. August 2013 wissen wir, daß unabhängig davon jeden Tag 300 Tonnen radioaktives Wasser ins Meer fließen, wie etwa die englischsprachige Japan Times berichtet. Woher kommt dieses Wasser? Wieso wird es radioaktiv? Wie kann man verhindern, daß es ins Meer fließt? Und vor allem: Wie gefährlich ist das eigentlich? 300 Tonnen täglich – Wie gefährlich ist das Fukushima-Wasser? weiterlesen

Deutschland hilft Fukushima

Auf Twitter ist heute abend spontan die Idee entstanden,  eine Aktion »Deutschland hilft Fukushima« ins Leben zu rufen, um Menschen dort konkret zu helfen. Ich habe hier mal ein paar Gedanken zusammengetragen. Was haltet ihr davon? Schreibt doch eure Meinungen, Ergänzungen und Kritik in die Kommentare! Abhängig von eurer Resonanz entscheiden wir dann, ob und wie wir konkrete Schritte gehen. Besonders gefragt sind Kommentare von Leuten, die sich mit so etwas auskennen und beurteilen können, ob das funktionieren kann oder eine blöde Idee ist.

Um was geht es?

Bei der Dreifachkernschmelze im japanischen Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi kam es im März 2011 zu einer Freisetzung großer Mengen radioaktiven Materials in die Umwelt. Diese Substanzen haben sich vor allem in der Präfektur Fukushima auf Häusern, Straßen, Plätzen und im Boden niedergeschlagen.

Da Fukushima landwirtschaftlich geprägt ist, ist die Radioaktivität auf den Anbauflächen und in Lebensmitteln ein sehr wichtiges Thema. Viele Menschen haben Angst und kaufen keine Lebensmittel aus Fukushima mehr. Das ist ein Riesenproblem für die Landwirte dort, denn es fehlen ihnen die Einnahmen.

Radioaktiv verseuchte Lebensmittel sollen natürlich auch nicht auf den Markt kommen, das ist klar. Es gibt aber sehr viele Produkte, die überhaupt nicht radioaktiv belastet sind. Oder die derart geringe Spuren an Cäsium-134 oder -137 aufweisen, daß man sie ohne Gefahr für die Gesundheit verzehren kann. Viele Japaner essen aber trotzdem keine Lebensmittel aus Fukushima, weil sie ganz einfach Angst haben.

Das eigentliche Problem ist nicht so sehr die Radioaktivität in den Lebensmitteln, sondern es sind die wirtschaftlichen Konsequenzen der Bauern. Sie haben gesunde Lebensmittel, können sie aber nicht verkaufen.

Können wir helfen?

Ja, das können wir! Wir können Solidarität mit Fukushima zeigen und konkret etwas für die Bauern tun:

Wir kaufen Reis aus Fukushima!

Die Japaner überwachen die Radioaktivität in Lebensmitteln inzwischen sehr gut. Wir brauchen also keine Angst zu haben, verstrahlt zu werden.

Reis eignet sich besonders, weil man ihn gut lagern und über längere Entfernungen transportieren kann. Außerdem nimmt gerade die Reispflanze wenig Cäsium aus dem Boden auf. Abgesehen von einigen wenigen Orten mit sehr viel Cäsium im Boden kann man den Reis bedenkenlos essen.

Wie wirkt die Hilfe?

Wir sollten uns nicht einbilden, »Deutschland hilft Fukushima« könne den Reisbauern einen neuen Absatzmarkt verschaffen, der alle ihre Probleme löst. Dazu werden sich in Deutschland gar nicht genug Menschen finden, die Reis aus Fukushima kaufen und essen wollen. Denn auch in Deutschland haben die Menschen Angst. Außerdem können wir nicht mit großen Importeueren konkurrieren. Reis aus Fukushima dürfte schlicht und einfach zu teuer sein.

Aber es geht ja gar nicht um große Mengen. Die Symbolik zählt. »Deutschland hilft Fukushima« will helfen, den japanischen Markt wieder in Schwung zu bringen: Japaner erfahren von der Aktion, sie erleben die Solidarität. Wenn wir in Deutschland Reis aus Fukushima essen, kann das dazu beitragen, den Menschen in Japan die Angst vor der Strahlung zu nehmen. Je mehr Japaner dann wieder Reis aus Fukushima kaufen, desto erfolgreicher war die Aktion.

Was ist zu tun?

Folgende Punkte, die zu klären wären, sind mir mal so eben eingefallen.  Bestimmt gibt es noch mehr! Bitte ergänzt/korrigiert per Kommentar!

  • Wir brauchen Informationengegen die Angst, also z.B.
    • Was ist Radioaktivität?
    • Wie wirkt Radioaktivität?
    • Wie wirkt wieviel Radioaktivität?
    • Wie werden Lebensmittel in Japan kontrolliert?
    • Was passiert, wenn ich Reis esse, der – aus welchen Gründen auch immer – nicht kontrolliert wurde und eine Radioaktivität von soundsoviel Becquerel pro Kilogramm aufweist? Oder anders: Wieviel kontaminierten Reis müßte ich essen, um Gefahren für die Gesundheit zu befürchten?
    • Welche Grenzwerte gelten? Was bedeuten diese Grenzwerte?
  • Wir brauchen Käufer! Wir müssen wir herausfinden, über welche Mengen wir überhaupt reden. Und wie können wir den Reis kostengünstig verteilen?
  • Apropos Kosten: Wie sähe das alles finanziell aus? Was müßte der Käufer letztlich für ein Kilo Reis bezahlen? Eine Vorfinanzierung könnten wir per Crowdfunding machen und in Abhängigkeit vom Ergebnis die Aktion weiterführen oder nicht. Außerdem können Sponsoren, die größere Geldbeträge geben, nicht schaden.
  • Wir brauchen Kontakt nach Fukushima, zum Beispiel zu einer Reisbauernvereinigung – idealerweise mit Kommunikation in Englisch. 🙂
  • Wir brauchen einen Importeur, der den Reis aus Fukushima einführen könnte und sich mit dem ganzen organisatorischen und rechtlichen Kram auskennt.
  • Wir brauchen ehrenamtliche Mitarbeiter für Projektmanagement und Durchführung.
  • Das Wichtigste ist Öffentlichkeitsarbeit. Dafür brauchen wir Mitarbeiter in Deutschland und auch in Japan.
    • Die Menschen in Deutschland müssen wissen, daß es diese Aktion gibt und wie sie sich beteiligen können. Unsere Mitarbeiter in Deutschland stellen den Kontakt zu den Medien aufbauen, die Aktion vorstellen usw.
    • Die Menschen in Japan müssen wissen, daß es diese Aktion gibt. Wir brauchen in Japan Kontakt zu den Medien.
    • Vielleicht Rebuild Japan Foundation Initiative ansprechen? Wer hat Kontakte zu weiteren Organisationen in Japan?

Wer ist dabei?

Die folgenden Personen (bzw. Twitter-Accounts) waren oder sind irgendwie an der Diskussion beteiligt. Sorry, wenn ich euch einfach hier so aufliste, aber eure Tweets sind ja ohnehin öffentlich.

Info-Update

Wissen gegen die Angst – Japaner fürchten sich vor radioaktiven Mini-Hotspots

In diesen Tagen versetzen sogenannte radioaktive Hotspots die Bevölkerung von Tokyo in Angst und Schrecken. Die japanischen Behörden versuchen, die Menschen zu beruhigen, allerdings ohne großen Erfolg. Was denn nun? Ist die Angst gerechtfertigt? Oder kann man den Behörden glauben? Schauen wir uns das an einem konkreten Beispiel etwas genauer an.

Hotspot am Regenrohr

So berichtet die Japan Times in der Ausgabe vom 18. Oktober 2011 von einem Mini-Hotspot auf dem Gelände der Higashi-Fuchie-Grundschule im Tokyoter Stadtteil Adachi, 210 Kilometer vom havarierten Kernkraftwerk Fukushima-Daiichi entfernt. An der Schule gibt es an einem Gebäude ein Fallrohr, das Regenwasser vom Dach ableitet. Dieses Rohr führt nicht zum Abwassersystem, sondern endet einige Dutzend Zentimeter über dem Boden, so daß das Regenwasser einfach auf die Erde läuft. An dieser Stelle hat man fünf Zentimeter über dem Boden eine Strahlung von 4 Mikrosievert pro Stunde (µSv/h) gemessen.

Dosis und Dosisleistung

Was heißt das? Wie gefährlich ist das? 4 Mikrosievert pro Stunde ist die sogenannte Dosisleistung und bedeutet folgendes: Hält sich ein Mensch an dieser Stelle eine Stunde lang auf, erhält er eine Dosis von 4 Mikrosievert. Nach zwei Stunden beträgt die Dosis 8 Mikrosievert, nach drei Stunden 12 und so weiter. Man kann sich denken, daß das Auswirkungen auf den menschlichen Körper hat. Das ist genau das, was die Maßeinheit Mikrosievert beschreibt: Bei 8 Mikrosievert ist die Auswirkung auf den Körper doppelt so hoch wie bei 4 Mikrosievert.

Wie hoch ist das Krebsrisiko?

Jetzt wissen wir aber immer noch nicht, wie gefährlich das ist. Dazu müssen wir ein bißchen ausholen. Die amerikanische Umweltschutzbehörde (EPA, Environmental Protection Agency) erforscht das Krebsrisiko durch ionisierende Strahlung und veröffentlicht die Ergebnisse im Blue Book: EPA Radiogenic Cancer Risk Models and Projections for the U.S. Population. Das gilt zwar, wie der Titel verrät, für die amerikanische Bevölkerung, dürfte aber für Japaner und sonstige Menschen nicht wesentlich anders sein. Die EPA geht sehr ins Detail und ermittelt Wahrscheinlichkeiten für verschiedene Krebsarten in Abhängigkeit von Alter, Geschlecht, betroffenen Organen und so weiter. Wer Zeit und Lust hat, sollte sich das mal näher anschauen!

Zusammengefaßt und vereinfacht kann man folgendes sagen:

Wenn 1.000 Personen eine Dosis von einem Sievert (= 1.000.000 Mikrosievert) erhalten, erkranken 116 davon an Krebs, und 58 sterben daran.

Anders gesagt beträgt das Risiko für den einzelnen 11,6 Prozent, an Krebs zu erkranken, und 5,8 Prozent, daran zu sterben.

Ein Sievert ist eine sehr hohe Dosis. Bei einer geringeren Dosis sind entsprechend weniger Personen von Krebs betroffen. Man geht von einem linearen Zusammenhang aus; das heißt, bei einem halben Sievert gibt es nur halb soviele Krebsfälle, bei 0,1 Sievert (= 100.000 Mikrosievert) nur ein Zehntel der Krebsfälle und so weiter.

Wie gefährlich ist der Hotspot am Regenrohr?

Jetzt haben wir alles an der Hand, um die Gefährlichkeit des Mini-Hotspots an der Higashi-Fuchie-Schule zu berechnen. Dieser Hotspot befindet sich wie gesagt fünf Zentimeter über dem Erdboden – nicht einen Zentimeter und auch nicht einen Meter. Es ist also nicht ganz einfach für einen Menschen, sich komplett von diesem Hotspot bestrahlen zu lassen. Nehmen wir der Einfachheit halber aber mal an, der Hotspot reiche vom Boden bis in eine Höhe von ca. 1,80 Meter. Nehmen wir weiter an, ein Mensch stünde dort am Regenrohr vor der Wand und ließe sich bestrahlen. Schlaf braucht er nicht, Regen und Kälte machen ihm nichts aus. Und so steht er dort ein ganzes Jahr lang. Was passiert? Wird er verstrahlt? Wenn ja, geschieht das in einer Minute, einem Tag, einem Monat oder einem Jahr?

Rechnen wir es aus: Wir wissen, er erhält pro Stunde eine Dosis von 4 Mikrosievert. Ein Tag hat 24 Stunden; ein Jahr hat 365 Tage, also 8.760 Stunden. Bei 4 Mikrosievert pro Stunde ergibt das in 8.760 Stunden rund 35.000 Mikrosievert (= 35 Millisievert oder 0,035 Sievert). Aus dem obengenannten Krebsrisiko bei 1 Sievert können wir das entsprechende Risiko bei 0,035 Sievert berechnen:

Es sind 0,4 Prozent Wahrscheinlichkeit für eine Krebserkrankung und 0,2 Prozent für eine tödliche.

Das ist ein recht geringer Wert. Und natürlich stellt sich niemand ein Jahr lang Tag und Nacht an ein Regenrohr oder an sonst eine Stelle, ganz egal, ob Hotspot oder nicht. Das tatsächliche Risiko ist also erheblich geringer. Ein wenig realistischer, aber immer noch sehr großzügig gerechnet, ist die Annahme, ein Kind spiele täglich montags bis freitags außer in den Ferien jeweils eine Stunde am Hotspot – und zwar unmittelbar am Hotspot, nicht etwa ein paar Meter entfernt. Dann verringert sich das Risiko auf winzige 0,01 bzw. 0,005 Prozent. Da kann man nicht mehr wirklich nicht mehr von einem ernstzunehmenden Risiko sprechen. Es gibt im Leben von Schulkindern und Erwachsenen wahrhaftig andere und erheblich höhere Risiken, über die man sich vorrangig Gedanken machen sollte!

Grenzwerte

Vielleicht ist es dem aufmerksamen Leser nicht entgangen: ich habe bisher kein Wort über Grenzwerte verloren oder gar damit argumentiert. Diese Grenzwerte werden ja gern kritisiert. Sie seien viel zu hoch, und die Behörden würden die halt immer so anpassen, daß es paßt.

Nach dem oben Gesagten kann man das hoffentlich besser einordnen und sich einen Eindruck vom tatsächlichen Risiko verschaffen. Der Grenzwert für ionisierende Strahlung zusätzlich zur ohnehin vorhandenen natürlichen Strahlung und zur Strahlung durch medizinische Anwendungen beträgt 20 Millisievert pro Jahr für Personen, die beruflich Strahlung ausgesetzt sind (z.B. Flugpersonal) und 1 Millisievert pro Jahr für alle anderen.

Update (2011-10-20)

Wie der Daily Yomiuri meldet, wurde der Hotspot mittlerweile dekontaminiert.

Weblinks