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Atommüll: Bürgergutachten fordert Offenheit gegenüber alternativen Entsorgungsoptionen

In einem Artikel mit dem Titel Bürgerforum »Wohin mit dem Atommüll?« berichtet Bloggerin Sylvia Bader-Giese über das gleichnamige Projekt. Per Zufallsprinzip wurden Bürger ausgewählt, um an drei Terminen im Februar und März in Lutherstadt Wittenberg unter professioneller Moderation ein Bürgergutachten zur Lagerung hochradioaktiver Abfälle zu erstellen. Das Ergebnis ist kein umfangreicher Wälzer, sondern ein gut lesbarer 24-Seiter. Das Projekt stellt auch nicht irgendeine Leutebespaßung dar, sondern ist hochoffizieller Teil der hochoffiziellen Bürgerbeteiligung bei der hochoffiziellen Endlagersuche. Atommüll: Bürgergutachten fordert Offenheit gegenüber alternativen Entsorgungsoptionen weiterlesen

Lieber Reinhard Bütikofer, etwas Souveränität, bitte!

Lieber Reinhard Bütikofer,

als einer, der seit über 40 Jahren grüne Politik macht, zuletzt auf Bundes- und Europaebene, sind Sie einer, der sich auskennt. Umso erstaunlicher, daß Sie es in der Diskussion mit Kernenergiebefürwortern an Souveränität und Abgeklärtkeit vermissen lassen und auf Facebook die Löschpeitsche schwingen. Lieber Reinhard Bütikofer, etwas Souveränität, bitte! weiterlesen

Aufregung ums Tanzverbot

Wie im letzten Jahr ist auch in diesem pünktlich zum Karfreitag das Tanzverbot ein Aufreger. Vor einem Jahr hatte ich meine persönliche Sicht der Dinge im Blogbeitrag »Der Herr des Tanzes« zusammengefaßt. Bevor ich auf die diesjährigen Ereignisse eingehe, empfehle ich, diesen Beitrag nachzulesen, um meine eigene Position besser zu verstehen.

Piratenpartei Hessen gegen Tanzverbot

In diesem Jahr macht die Piratenpartei Hessen von sich reden, weil sie am Karfreitag in Frankfurt und Gießen Demonstrationen gegen das Tanzverbot durchführen wollte. Das wurde von den Behörden verboten, das Verbot wurde von den Verwaltungsgerichten bestätigt, und nun wollen die hessischen Piraten vor das Bundesverfassungsgericht ziehen, da sie im Tanzverbot eine Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit sehen.

Ich halte einer Verfassungsklage oder sonstigen Aktionen gegen das Tanzverbot für sinnfrei bis schädlich. Daß ich selbst Christ bin, hat – wie in »Der Herr des Tanzes« erläutert – damit noch nicht einmal zu tun. Ich bin dagegen »aus Gründen«:

Versammlungsfreiheit gewährleistet

Erstens ist eine Verfassungsklage gegen das Tanzverbot völlig aussichtslos.

Die Tanzverbotsgegner sehen ja im Tanzverbot eine Einschränkung der Versammlungsfreiheit gemäß Artikel 8 Grundgesetz (GG). Ich bin zwar kein Jurist und erst recht kein Verfassungsrechtler, aber aus dem Tanzverbot eine Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit abzuleiten, scheint mit doch sehr weit hergeholt. Dazu ist der Wortlaut des Artikels 8 GG viel zu eindeutig und klar, steht da doch in Satz 1:

Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln.

Ha, werden die Tanzverbotsgegner sagen, da haben wir’s! Wir sind friedlich, wir sind ohne Waffen, also dürfen wir uns versammeln – noch dazu ohne Anmeldung!

Allerdings gibt es im Artikel 8 GG auch noch den Satz 2:

Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

An dieser Stelle könnten wir eigentlich aufhören. Juristisch ist das Thema damit durch. Eine Demonstration ist eine Versammlung unter freiem Himmel. Dafür sind Beschränkungen durch oder aufgrund von Gesetz zulässig. Das ist hier gegeben. Ende der verfassungsrechtlichen Diskussion.

Aber auch inhaltlich sind solche Beschränkungen im Prinzip durchaus sinnvoll. Man stelle sich vor, eine lautstarke Demo solle zu nachtschlafener Zeit durch ein Wohngebiet führen! Völlig klar, daß es dafür keine Genehmigung geben darf, oder jedenfalls nur in Ausnahmefällen. Wäre das ein Angriff auf die Versammlungsfreiheit? Wohl kaum!

Wer ändern will, was wann wo erlaubt oder verboten ist, soll sich eine parlamentarische Mehrheit suchen und Gesetze oder Verordnungen ändern!

Grundrechte relativiert

Zweitens relativiert die Berufung auf die Versammlungsfreiheit beim Vorgehen gegen das Tanzverbot die Grundrechte.

Ich bin in die Piratenpartei eingetreten, weil mir Freiheit und Grundrechte am Herzen liegen und ich etwas gegen ihre Erosion durch die überkommene Politik tun will. Ich will, daß Menschen ohne Angst ihre Meinung sagen können. Ich will, daß Menschen sich auf der Straße und im Internet bewegen können, ohne ihren Personalausweis vor sich her tragen zu müssen. Ich will, daß unsere Kommunikation frei bleibt von anlaßloser Überwachung, daß Menschen frei bleiben von grundlosen Pauschalverdächtigungen. Ich will, daß Menschen ihren Glauben oder ihre weltanschauliche Überzeugung frei und offen leben können. Darum engagiere ich mich. Darum setze ich mich ein gegen Netzsperren, ACTA oder INDECT. Darum kämpfe ich auch für Religionsfreiheit. Und gerade letzteres scheint innerhalb der Piratenpartei leider besonders nötig zu sein.

Wer beim Tanzverbot von einer Einschränkung der Grundrechte spricht, relativiert damit die wirklich wichtigen Dinge und zieht sie in den Dreck. Ach, Netzsperren sind gar nicht wichtiger als ein Tanzverbot? Überwachung aller Bürger mit INDECT ist gar nicht unerträglicher als ein Tanzverbot am Karfreitag? Na, dann ist das ja alles halb so wild!

Matthias Kamann bringt es in seinem Kommentar in der Welt auf den Punkt: »Kruzifix, ist das eine schwere Menschenrechtsverletzung, die den hessischen Bürgern da von ihrem Feiertagsgesetz angetan wird!«

Auf Twitter verstieg sich sogar jemand zu einer Gleichsetzung von Tanzverbot und Folter! Solche Vergleiche sind absolut unsensibel gegenüber Folteropfern. Sie tun dem Kampf für die Grundrechte keinen Dienst, ziehen ihn ins Lächerliche und sind im besten Fall albern.

Politisch ungeschickt

Drittens ist das Vorgehen der Piratenpartei politisch ungeschickt und dumm.

Wer das Tanzverbot kippen will, kann das mit dem Grundgesetz als Hebel via Karlsruhe nicht erreichen – siehe oben. Ungeschickt und dumm ist schon die Ankündigung einer Verfassungsbeschwerde, da die Erfolgsaussichten gleich null sind.

Bleibt nur die Möglichkeit, sich in den Landtagen politische Mehrheiten zu suchen und die Feiertagsgesetze entsprechend zu ändern. Das ist natürlich schwierig, wenn man wie in Hessen noch nicht einmal selbst im Landtag vertreten ist, geschweige denn eine Regierungsmehrheit hinter sich weiß.

Hier gilt es, Überzeugungsarbeit zu leisten. Wenn man Menschen für den eigenen Standpunkt gewinnen will, klappt das besser, indem man auf sie zugeht und mit ihnen redet, statt sie zu brüskieren und vor den Kopf zu stoßen.

Auf Twitter wies @trichers darauf hin, man solle sein politisches Handeln an seinen Überzeugungen festmachen und nicht an der Popularität. Das ist einerseits natürlich richtig. Andererseits hat sich ja gerade die Piratenpartei das Thema Bürgerbeteiligung auf die Fahnen geschrieben und sollte daher zumindest mal darüber nachzudenken, ob die Mehrheit der Bürger die Sache mit dem Tanzverbot wohl genauso sieht. Vielleicht vertreten die hessischen Piraten ja auch nur eine Minderheit, die unter diesem Joch ächzt.

Bei Themen, die mit dem christlichen Glauben zu tun haben, könnten man beim nächsten Mal einfach mal die Christen innerhalb der Piratenpartei zu fragen, was die davon halten. Den Blick verengen würde das nicht.

Respekt verweigert

Viertens vermisse ich bei manchen Piraten den Respekt vor Andersdenkenden und Andersglaubenden.

Vielen Diskussionen auf Twitter zeigen mir, daß es in der Piratenpartei Leute gibt, die nicht nur nur areligiös sind – das ist ihr gutes Recht –, sondern antireligiös – und das geht mal gar nicht! Da ist dann jedes Mittel recht, um gegen »die Kirche« oder »die Religiösen« zu Felde zu ziehen. Es ist erschreckend, welcher Haß und welche Intoleranz da zum Vorschein kommen! Und bei manchen wird mir Angst und Bange bei der Vorstellung, daß diese Leute, die einen heute »nur« aus der Partei werfen wollen, morgen in der Regierung sind!

Ich wünsche mir grundsätzlich einen respektvollen Umgang miteinander. Man muß die Überzeugungen, den Glauben oder die Traditionen des anderen nicht teilen, aber man sollte sie achten und nicht mit Füßen treten. Ich möchte den anderen immer als Mensch sehen, dessen Würde nicht mit seinen Ansichten steht und fällt, siehe Artikel 1 GG. Das erwarte ich ungekehrt aber auch von meinem Gegenüber.

Mit einer solchen Haltung könnten Tanzverbotsgegner viel eher überzeugen als mit dumpfem Protest. Oder wie es Matthias Kamann formuliert: »Es würde die Gottlosigkeit deutlich attraktiver machen, wenn Atheisten wenigstens an einem Tag im Jahr zu jener kollektiven Trauer fähig wären, der sich Christen in der Karwoche unterziehen.«

Zurück zum Eigentlichen

So, und falls sich jemand nach dieser unsäglichen Diskussion noch für die eigentlichen Inhalte von Karfreitag und Ostern interessiert, kann er die Geschichte hier in der Bibel nachlesen:

  • Matthäus-Evangelium, Kapitel 26, 27 und 28
  • Markus-Evangelium, Kapitel 14, 15 und 16
  • Lukas-Evangelium, Kapitel 21, 22 und 23
  • Johannes-Evangelium, Kapitel 18, 19 und 20

Update:

Inzwischen hat das Bundesverfassungsgericht die Beschwerde der Piratenpartei zurückgewiesen. Die Piraten hätten zunächst den hessischen Verwaltungsgerichtshof anrufen sollen.

Man sollte sich schon ein klein wenig mit dem juristischen Kram auskennen oder jemanden fragen, der etwas davon versteht. Das schützt vor Blamagen.