Pirat bleiben oder gehen? Überlegungen nach dem Bundesparteitag der Piratenpartei

Und sie haben es doch getan! Auf ihrem Bundesparteitag vor zwei Wochen, am 20. und 21. November in Chemnitz, beschloß die Piratenpartei familienpolitische Ziele, die sich mit meinen Werten als Christ überhaupt nicht decken. Ich hatte darüber bereits im Vorfeld des Parteitags gebloggt, siehe »Piraten schützen das Grundgesetz – oder doch nicht?«.

Gleich nach diesen Beschlüssen hatte ich getwittert, meine Mitgliedschaft in der Piratenpartei überdenken zu müssen. Das habe ich inzwischen getan. In diesem Beitrag möchte ich meine Gedanken schildern und meinen Entschluß erläutern.

Die Parteitagsbeschlüsse

Was der Parteitag im einzelnen beschlossen hat, kann man im Piratenwiki auf der Seite der Antragskommission nachlesen. Da sind durchaus eine Menge guter Dinge dabei! Ich will aus den vielen Punkten, die ich unterstütze, nur zwei Beispiele herausgreifen:

Aber da sind auch die Punkte, die aus meiner Sicht überhaupt nicht gehen oder mit denen ich zumindest heftige Bauchschmerzen habe:

  • Hinter dem Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe steckt eine gute Absicht, die ich unterstütze. Ja, jeder Mensch soll ein Leben in Würde führen können. Das leitet sich aus Artikel 1 des Grundgesetzes ab. Und dieses Leben in Würde soll unabhängig sein von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des einzelnen. Insofern geht der Beschluß in die richtige Richtung.

    Viele Piraten verstehen darunter jedoch die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens. Da sehe ich ganz erhebliche praktische Probleme. Beispielsweise hält nicht jeder die Begriffe Leistung und Leistungsfähigkeit sauber auseinander. Und ein ganz triviales Argument: Geld, das man ausgeben will, muß man zuvor eingenommen haben – es sei denn, man will mit der Verschuldungspolitik der jetzigen Regierung und ihrer diversen Vorgängerinnen weitermachen.

    Aber gut. Da der Beschluß ausdrücklich keinen bestimmten Weg zum Ziel ideologisch festschreibt, bin ich durchaus bereit, mich mit konkreten Konzepten auseinanderzusetzen.

  • Nur noch an den Kopf fassen kann ich mich aber angesichts der Forderung nach Abschaffung des § 173 StGB (Beischlaf zwischen Verwandten). So ein Schwachfug! Ich will das an dieser Stelle überhaupt nicht inhaltlich diskutieren. Aber, liebe Befürworter, laßt euch bitte nur mal die Frage gefallen, was dieser Beschluß wohl Außenstehenden signalisiert! Hat unser Land eigentlich keine dringenderen Probleme?

  • Ja, und schließlich haben wir diese Grundsatzbeschlüsse zur Queer- und Familienpolitik. Hier die einzelnen Module zum Nachlesen:

    Die Intention der Beschlüsse läßt sich bereits an Wortwahl und -stellung der Überschrift ablesen. Die lautet nicht etwa »Familienpolitik«, auch nicht »Familien- und Queerpolitik«, sondern »Queer- und Familienpolitik«. Diese Formulierung macht die Rangfolge klar. Es geht um Queerpolitik. Hier treibt eine rührige Gruppe von Piraten ihr Lieblingsthema voran. Und damit es mit der Zustimmung auf dem Parteitag auch bloß klappt, verquickt man seine Ideen noch mit ein paar gutklingenden Sätzen wie dem vom besonderen Schutz von Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder schwache Menschen versorgt werden. Ach ja, wer wollte auch Kindern oder Schwachen Schutz verweigern?

    Den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung spricht das Grundgesetz in Artikel 6 (1) jedoch nicht allen und nicht irgendwelchen Lebensgemeinschaften zu, sondern dediziert Ehe und Familie. Diesen besonderen Schutz will der Bundesparteitag offenbar ausgehebelt wissen. Den Widerspruch zum Grundgesetzartikel 6 hat man leichter Hand ignoriert. Sofern ich im Livestream nichts verpaßt habe, gab es nicht einmal eine Diskussion über diesen Aspekt! Hat das denn niemand bemerkt? Was für ein Armutszeugnis für eine Partei, die doch das Grundgesetz auf ihre orangen Fahnen geschrieben hat! Aber kaum steht es dem eigene Wollen und Wünschen im Weg, schiebt man es einfach beiseite. Das kennen wir doch bisher nur von gewissen anderen Parteien!

Verlorene Werte

Ich war 2009 in die Piratenpartei eingetreten, weil sie für mich die einzige politische Kraft war, der das Grundgesetz wirklich am Herzen liegt. Ich habe eine große Übereinstimmung gesehen zwischen den Werten der Piraten und meinen eigenen. Heute, nach diesem Bundesparteitag, ist die Schnittmenge erheblich geschrumpft – ebenso wie mein Vertrauen in die Grundgesetztreue der Piratenpartei.

Um diesen Blogbeitrag nicht zu lang werden zu lassen, will ich die inhaltliche Diskussion zu Einzelpunkte an dieser Stelle gar nicht führen. Vielleicht finde ich später die Zeit, meine Argumentation zu dem einen oder anderen Punkt darzustellen. Mir geht es heute nur um die eine Frage: Kann ich selbst mich noch in der Piratenpartei wiederfinden oder kann ich das nicht?

Wäre ich in der gleichen Situation wie 2009, als es für mich darum ging, in die Piratenpartei einzutreten oder nicht, wäre die Antwort ein klares Nein. Ein Blick in das neue Parteiprogramm, ein Blick auf die Schnittmenge der Werte, und die Sache wäre entschieden: nicht der Mühe wert!

Eine Geschichte mit Menschen

Allerdings ist meine Lage heute anders als vor meinem Eintritt. Damals war die Piratenpartei für mich eine mehr oder weniger abstrakte, unbekannte Organisation. Ich kannte nicht mehr als ihre Ziele. Diese Ziele fand ich gut, und wegen dieser Ziele bin ich die Piratenpartei eingetreten.

Seitdem ist viel passiert. Ich bin nicht bloß Mitglied, sondern habe einen Weg zurückgelegt mit dieser Partei. Es eine Geschichte mit Menschen. Es sind Begegnungen mit Piraten und Interessenten auf Stammtischen, an Infoständen, auf Parteitagen, auf dem Bahnhof, auf Twitter, auf Mailinglisten – und sogar am Telefon. Es ist der gemeinsame Aufbau der Pressearbeit in Nordrhein-Westfalen, es sind Begegnungen mit Menschen während des Sammelns von Unterstützungsunterschriften im Kreis Herford für meine Landtagskandidatur, es ist die Arbeit an der Dortmunder Kreisverbandssatzung. Es die persönlichen Begegnungen bei diesen und anderen Aktivitäten.

Die letzten eineinhalb Jahre waren für mich eine hochinteressante und wertvolle Zeit. Ich habe viel erfahren und viel gelernt. Und vor allem sind es die Menschen, die diese Zeit so wertvoll gemacht haben: diese Piraten, die so unverblümt ehrlich sind, die ohne Rücksicht auf Verluste ihre Meinung sagen – und sich dafür einsetzen, daß jeder andere in Deutschland und in der Welt das auch tun kann, ohne um seine Freiheit, seine Gesundheit oder um sein Leben fürchten zu müssen.

Parteiintern habe ich das in dieser Weise erlebt. Das ging natürlich nicht ohne Auseinandersetzungen ab. Wir haben gestritten, über Positionen diskutiert und um Vorgehensweisen gerungen. Und abseits von der Parteiarbeit gab’s spannende Unterhaltungen über Glaubensthemen, gerade mit meinen atheistischen Freunden. Ob wir nun derselben Meinung waren oder uns nicht einigen konnten: Jeder war offen für die Argumente des anderen und ist sachlich geblieben – na ja, fast jeder.

Und? Wie geht’s nun weiter?

Nachdem ich getwittert hatte, meine Mitgliedschaft in der Piratenpartei zu überdenken, haben sich eine ganze Reihe Piraten bei mir gemeldet und mich ermutigt, dabeizubleiben. Dieter Klein schätzt meine »unaufgeregte Art, andere Sichtweisen in die Diskussion zu bringen«. Fabio Reinhardt hat mir einen offenen Brief geschrieben. Andere haben getwittert, gemailt oder mich persönlich angesprochen.

Das berührt mich sehr.

Ehrliche Piraten

Ich merke: Hier ist echtes Interesse – an mir als Person, nicht nur an dem, was ich für die Partei leisten kann. Die Leute sind offen, sich mit dem zu auseinanderzusetzen, was ich denke und was ich glaube, auch wenn nicht alles dem eigenen Weltbild entspricht. Einige haben mich sogar explizit dazu aufgefordert, meine Sichtweisen in die Diskussion einzubringen und sie innerhalb der Partei zu vertreten.

In der persönlichen Begegnung mit anderen Piraten spüre ich, daß hier keine Ideologen am Werke sind, sondern eine tiefe innere Überzeugung da ist, mit den Parteitagsbeschlüssen Menschen wirklich helfen zu können. Ich teile diese Positionen inhaltlich nicht, aber die Ernsthaftigkeit beeindruckt mich. Piraten sind ehrliche Leute. Sie schielen nicht nach dem, womit sie möglichst viele Wählerstimmen ködern können, sondern entscheiden nach dem, was ihnen am Herzen liegt. – Ob es klug ist, alles, was man denkt, in Beschlüsse zu gießen, ist eine andere Frage.

Das alles macht es mir schwer, die Piraten zu verlassen.

Ich kann ja auch mein politisches Engagement nicht einfach wieder an den Nagel hängen. Bei den sonstigen Parteien, den sogenannten etablierten, könnte ich mich aber auch nicht zu Hause fühlen. Warum das gerade bei der Partei mit dem C so ist, hatte ich bereits an anderer Stelle erläutert.

Christliche Parteien

Und wie steht es mit den christlichen Parteien, also PBC, CM oder AUF? Denen müßte ich als Christ doch nahestehen, oder? Manches hört sich in der Tat gut an. Aber wenn die christlichen Parteien in die Parlamente kommen und dort etwas bewirken wollen, dann sollten sie sich als allererstes zu einer einzigen Partei zusammenschließen. Und konkrete Konzepte müßten her! Wahlplakate mit Bibelversen reichen nicht aus, um Politik zu machen. Kürzlich erzählte mir ein Journalist und Christ, er habe sich mehrfach in der PBC engagieren wollen, sei aber jedesmal eiskalt abgeblitzt, wenn er konkret und kritisch nach Konzepten gefragt habe. Die christlichen Parteien sind also auch keine Alternative, zumindest nicht zur Zeit.

Und Gott?

Die für mich wichtigste Frage bei der Enscheidung für oder gegen die Piratenpartei mag für manchen, der dies liest, überraschend sein. Es ist die Frage, wie Gott das sieht – genauer: wie er es für mich sieht. Ich frage ihn danach und ich bekomme Antworten. Das muß ich denjenigen Lesern, die keine Christen sind, ein bißchen erklären. Den Atheisten unter euch wird das quer heruntergehen und euch in eurer Meinung bestätigen, daß ich sowieso irgendwie schräg drauf bin. Vielleicht bekommt ihr aber auch eine Ahnung davon, daß euer Weltbild nicht nur schon deshalb die Realität korrekt und vollständig widerspiegelt, weil ihr das gern so haben wollt.

Mancher glaubt ja, Christsein bestünde aus einer Sammlung moralischer Regeln, die man einzuhalten habe. Daß das nicht stimmt, habe ich bereits in einem anderen Blogbeitrag erklärt. Christen glauben vielmehr, daß man zu Gott eine persönliche Beziehung haben kann und daß Gott mit seinen Leuten redet. Dieses Reden Gottes geschieht in der Regel nicht durch Visionen und Auditionen – zumindest ist das in unserem Kulturkreis selten. Vielmehr sind es oft kleine Begebenheiten im Alltag: ein Vers, den ich in der Bibel lesen, oder ein Satz, den ein anderer Christ mir sagt. Und ich spüre: Jetzt redet Gott zu mir! Ein Bibeltext ist dann nicht mehr bloß ein alter Text in einem bestimmten historischen Zusammenhang, sondern Gott spricht dadurch in meine Situation hinein. Der Text wird lebendig, wird für mich aktuell und hilft mir heute, eine Entscheidung zu treffen. Das funktioniert nicht mechanisch, das ist nicht machbar, und fromme Rituale nützen nichts. Das ist ein geistlicher Vorgang, der zu einer Zeit und auf eine Art und Weise geschieht, wie Gott es für richtig hält.

Nach dem Parteitag habe ich das erlebt, als ich in der Bibel die Stelle Johannes 17, 15 gelesen habe. Dort betet Jesus mit Blick auf seine Leute: »Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen.« Und ich merke: Hier spricht Gott zu mir. Es sagt mir: »Die Welt – dazu gehört für dich auch die Piratenpartei. Zieh dich da nicht raus! Du hast da deinen Platz. Es ist gut, wenn du dabei bleibst. Ich werde mich schon darum kümmern, daß das eine gute Sache wird!«

In den folgenden Tagen habe ich weiter darüber nachgedacht und gebetet, um meine eigenen Gedanken von Gottes Gedanken unterscheiden zu können. Der starke Eindruck ist geblieben; ich bleibe also dabei.

Im Zwiespalt

Doch ich werde mit einem inneren Zwiespalt leben müssen. Mein Einsatz kann nicht mehr ungeteilt sein. Natürlich werde ich mich weiter für unsere Grundrechte einsetzen und mich für Themen wie JMStV, ACTA oder INDECT starkmachen. Positionen der Piratenpartei, die meinen inneren Überzeugungen zuwiderlaufen, kann ich aber am Infostand oder sonstwo nicht vertreten. Vielmehr habe ich vor, den innerparteilichen Dialog zu suchen und Überzeugungsarbeit zu leisten. Das ist ja etwas, was ich an der Piratenpartei richtig gutfinde: Ein solcher Dialog ist möglich! Nicht bei allen Parteien ist das der Fall. Meinungsvielfalt, wie sie einer demokratischen Partei angemessen ist: das finde ich gut! In diesem Zusammenhang ist auch der Blogbeitrag von Nineberry wichtig, der zur Meinungsvielfalt auffordert und unterschiedliche Strömungen begrüßt – Parteien innerhalb der Partei sozusagen.

Gegenüber anderen werde ich mein Engagement für die Piratenpartei auch mehr als zuvor begründen müssen. In meiner Gemeinde, der Freien evangelischen Gemeinde (FeG) Dortmund, konnte ich bei der Landtagswahl eine ganze Reihe Wähler für die Piratenpartei mobilisieren. Das wird künftig anders sein. Man wird mein Engagement bei den Piraten wohl akzeptieren (müssen), aber selber Piratenpartei wählen? Wozu denn das? Für was von dem, was Christen wertvoll ist, steht die Piratenpartei denn ein? Die Idee von Parteien in einer Partei ist ja nicht unbedingt unmittelbar eingängig.

Aber gut. Eingetreten bin ich in die Piratenpartei, weil ich das Grundgesetz vor den etablierten Parteien schützen wollte. Jetzt bleibe ich dabei, um es auch vor der Piratenpartei zu schützen. Über Mitstreiter würde ich mich freuen.

Ich bleibe Querdenker statt Queerdenker.

29 Kommentare zu „Pirat bleiben oder gehen? Überlegungen nach dem Bundesparteitag der Piratenpartei“

  1. Wichtiger Text und richtige Entscheidung. Im übrigen halte ich es für selbstverständlich, dass man nicht ALLE Punkte einer Partei zu 100% akzeptieren kann. Solche Menschen wären mir suspekt.

    Ich teile auch Deine Auffassung, dass es für Piraten und gesamtgesellschaftlich derzeit wichtigere Themen als den § 173 oder Queer- Politik gibt. Allerdings gibt es bereits an ersterem Punkt menschliche Dramen, mit denen sich auch bereits das BVerfG zu beschäftigen hatte. Ich persönlich halte nichts davon, dass sich der Staat in geschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen einmischt, so lange dies in beiderseitigem Einverständnis geschieht und nicht die Interessen Schutzbedürftiger negativ tangiert sind. Das kann man aus christlicher Sicht anders sehen- aber umgekehrt muss man sich auch als Christ nicht mit allen (amts-)kirchlichen Dogmen unterwerfen.

  2. Hallo Rainer,

    als christlicher (ev. lutherisch)Pirat kann ich für mich nur sagen, dass ich mich weigere meinen Glauben und das Verständnis von Gott auf die eingeengte Sicht der Worte in der Bibel zu stützen. Glaube ist viel mehr, es ist die Auslegung und Auslebung der Worte, das Leben nach dem Sinn.

    Das heißt für mich aber auch, andere Meinungen, Lebensarten und -Formen neben mir zu zulassen und meinen Glauben – der für mich der beste sein mag – nicht anderen aufzudrängen, sondern vielmehr durch Vorleben zu versuchen, anderen zu zeigen, dass er es auch für sie sein könnte.

    Ich kann daher nicht verstehen, warum du dich gegen die Beschlüsse zur Queerpolitik so sehr (ver)stören.

    Grundlagen zu schaffen, dass keiner auf Grund seines Glaubens, seiner Nationalität, seiner Hautfarbe, seiner sexuellen Orientierung, seines Geschlechts oder seiner Art zu leben benachteiligt wird. Das sehe ich als eins der Hauptziele der Piratenpartei.

    Und dazu gehören auch §173 oder die Queerpolitik.

    Ich halte es – leider – für eins der größten Übel vieler religöser Menschen, dass ihr Glaube – so wie sie ihn verstehen und ausleben – es ihnen nicht gestattet, andere so sein zu lassen, wie sie sind. Und das macht mich traurig.

    „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“. Das heißt für mich: Wenn ich für meinen Glauben nicht angegriffen werden möchte, dann darf ich andere auch nicht dafür angreifen, wenn sie (an) etwas anderes glauben, als ich.

    Johannes

    1. Hallo Johannes,

      das sind zwei unterschiedliche Dinge.

      Da ist zunächst einmal das, was ich persönlich für richtig oder für falsch halte. Mir selbst sind die Werte der Bibel wichtig, und ich versuche, mich im täglichen Leben daran zu orientieren.

      Die andere Sache ist die Frage, ob ich die Werte, die mir wichtig sind, anderen oktroyieren oder sie gar angreifen kann. Und da sage ich: nein, das kann und will ich nicht tun! Ich werde ich mich aber auch nicht verbiegen und als richtig bezeichnen, was ich für falsch halte.

      Rainer

  3. Hallo Rainer,

    Deine Einschätzung teile ich in manchen Stellen. An einigen Stellen werden wir nicht umhin kommen, die Beschlüsse des BPT ein _wenig_ zu korrigieren. Die aggresive Missionierung mancher Extrematheisten passt mir zum Beispiel wenig, obwohl ich konfessionslos bin. Bei der Queerpolitik sind – wie bei vielen Dingen, die auf dem BPT beschlossen wurden – Einseitigkeiten und ggf. ungewollte sogenannte Kollateralschäden enthalten, wie auch gehäuft bei dem Korruptionspapier.

    Als ich mit einem entschlossenen „KLARMACHEN ZUM ÄNDERN“ vor etwas mehr als einem Jahr meinen Mitgliedsantrag auf den Weg gebracht habe, war mir schon klar, dass sich diese Änderungen nicht nur auf die etablierte Politik, sondern auch auf einige Dinge innerhalb der Piratenpartei beziehen würde. Das ist mir zwar nur manchmal gelungen, aber das ist auch gut so.

    Mit der festen Überzeugung, das Du die richtige Entscheidung getroffen hat wünscht Dir Mast- und Schotbruch

    Dein
    Big Arne

  4. Als Atheist habe ich doch Respekt vor Deinen Ansichten und finde es gut, das auch Du deinen Platz bei uns gefunden hast und diesen auch verteidigst. Wir leben von der Vielfalt, nicht von der Einfalt.

    In diesem Sinne, allzeit eine Handvoll Wasser unterm Kiel

    –Andreas

  5. Rainer,

    das wichtigste für mich ist, daß Du nicht wegen Deines Glaubens austrittst, sondern trotz Deines Glaubens bleibst! Denn das ist, auch für mich als Atheist, christlich: Andere so zu lieben, wie sie sind, und nicht erst dann, wenn sie so sind, wie man selbst oder wie man sie möchte!

    Danke, daß Du bleibst!

    Matthias

  6. „Den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung spricht das Grundgesetz in Artikel 6 (1) jedoch nicht allen und nicht irgendwelchen Lebensgemeinschaften zu, sondern dediziert Ehe und Familie. Diesen besonderen Schutz will der Bundesparteitag offenbar ausgehebelt wissen.“

    Nein, der BPT wollte den Schutz nicht ausgehebelt sondern ausgeweitet wissen. Ehe und Familie wurden nicht abgewertet, sondern andere Formen der Lebensgestaltung anerkannt und entsprechend gewürdigt.

    Ich habe Verständnis dafür, wenn man aus religiösen Gründen bestimmte Lebensweisen für sich selbst bevorzugt, aber das kann man auch tun, ohne zu verlangen, dass Staat und Gesellschaft alternative Modelle von von herein schlechter stellen.

      1. Ja und, was hat das Einkommensteuergesetz mit der Verfassung zu tun ? Unabhängig davon sollte man sich vor Augen führen, dass mit dem Ehegattensplitting vor allem kinderlose Ehen subventioniert werden, denn der Steuervorteil schrumpft mit jedem Kind – die Sinnhaftigkeit eines solchen Konstrukts bezweifle ich.

        1. Hi,

          Du behauptesat: „Ehe und Familie wurden nicht abgewertet, sondern andere Formen der Lebensgestaltung anerkannt und entsprechend gewürdigt.“
          Ich habe belegt: „Stimmt nicht“
          Du behauptest: „dass mit dem Ehegattensplitting vor allem kinderlose Ehen subventioniert werden“

          Dazu eine Frage: Wenn Familien mit der gleichen Zahl von Kindern (0 bis x) und gleichem Familieneinkommen gleiche Steuern bezahlen, was ist daran subventioniert?

          Gruß
          Arne

          1. Eine Änderung der Steuergesetzgebung ist keine Abwertung des verfassungsrechtlichen Rangs der Ehe.

            Das Ehegattensplitting ist zunächst mal von Haus aus eine Subvention, da dadurch die Steuerlast von Ehepaaren reduziert wird. Die Frage ist, welche Lenkungswirkung ein Staat mit einer solchen Subvention erreichen will und ob der gewünschte Effekt tatsächlich eintritt. Wenn man bei Familie den Fokus auf Kinder legt, dann ist das gegenwärtige Modell wegen des erwähnten beim Vorhandensein von Kindern schrumpfenden Steuervorteils kontraproduktiv, während andere Modelle denkbar sind (Stichwort Familiensplitting), bei denen der steuerliche Effekt genau umgekehrt wäre.

            Im übrigen – und das finde ich besonders grotesk – greift gegenwärtig das Ehegattensplitting sogar dann, wenn die Partner Gütertrennung vereinbart haben und somit überhaupt keine Gütergemeinschaft vorliegt, die eigentlich Voraussetzung für die Gleichverteilung des Haushaltseinkommens auf beide Partner im steuerlichen Sinne wäre.

            1. Na, diese Sicht ist nicht ganz richtig.

              1)
              Auch wenn keine Gütertrennung vereinbart wird, besteht in der Ehe keine Gütergemeinschaft sondern die sog. Zugewinngemeinschaft per Gesetz, das ist Gütertrennung mit Vermögenszuwachsausgleich bei Beendigung der Ehe.

              2)
              Das eigentliche „Problem des Splittings“ besteht darin, dass sie die Einverdienerehe, d.h. Hausfrauenehe oder Hausmannehe bevorzugt.
              Für Doppelverdiener sind die steuerlichen Vorteile soweit beide in etwa die selbe Einkünfte erzielen sehr schnell gleich NUll.

              Also, deshalb haben die Staaten auch unterschiedlcihe Fördermodelle, je nachdem ob sie die Berufstätigkeit der Frauen zurückfahren wollen, dann Splitting oder ob sie Doppelverdienerehen –mit– Kindern (partnerschaftliche gleichberechtigte Ehen ) fördern wollen, ohne Splitting aber mit erheblicher steuerlicher Entlastung des zweiten Einkommens, so wie ich dies auch in meinen Petitionen gefordert habe und wie es die nordischen Ländern in der Regel handhaben.
              Um den Frauen das absolute Wahlrecht für oder gegen Beruf und die Entscheidung für oder gegen Kind zu belassen, hielte ich folgende steuerliche Regelung zur Familienförderung – und – Steigerung der Geburtenrate auch für Empfehlenswert:

              – soweit eine Frau/Mann zu Hause beim Kind bleiben möchte erhält die Familie einen Splittingvorteil

              – soweit die Frau/Mann beruftstätig -mit Kind- sein möchte gibt es keinen Splitting, dafür aber auf das Einkommen des Geringverdieners keine steuerliche oder nur eine geringe Belastung.
              Kindergeld gibts trotzdem.

              so long!

  7. Hallo,

    ich bin in theologischen Themen durchaus nicht unbeschlagen, allerdings auf der wissenschaftlichen, nicht auf der theologischen Seite (studierte Judaistin). Die hebräische Bibel habe ich im Original studiert, und zwar ziemlich eingehend.

    Ich respektiere, dass es Menschen gibt, die an den Gott der Bibel glauben, auch wenn ich persönlich diese Auffassung nicht teile. Der Abschnitt, der heute landläufig von den Anhängern von Judentum, Christentum und Islam als Verbot gleichgeschlechtlicher Handlungen interpretiert wird, steht in einer Reihe mit dem Verbot, Schweinefleisch zu essen, das kurzerhand irgendwann mal weginterpretiert wurde, weil’s irgendwie kontraproduktiv schien (was im vorderorientalischen Kulturkreis nicht der Fall war). Der langen Beschreibung, wie Gott dem ersten Menschen eine Frau zur Seite stellte, steht die kurze, lapidare und in stilistisch und grammatikalisch unterschiedliche Äußerung „Als Mann und Frau erschuf er sie“ gegenüber (siehe „Elohisten“ und „Jahawisten“); beide finden sich im Pentateuch, genauer gesagt, im Buch Bereschit (Genesis). Die zweite Aussage ist so allgemein, dass man sie getrost auch als „in einer Person“ interpretieren könnte, vorausgesetzt, man folgt der Theorie der Quellenscheidung, dass eben unterschiedliche Autoren zwei unterschiedliche, als Offenbarung interpretierte Texte verfassten, die in einer späteren Redaktion zusammengefasst wurden (die Quellenscheidung ist natürlich eine Theorie, keine unumstößliche Wahrheit).

    Du erkennst persönlich Gott in gewissen, meist alltäglichen Situationen, in denen andere vielleicht nur Herr Müller oder Frau Meier erkennen. Soll heißen, Deine persönliche Gotteserkenntnis ist individuell, nicht kollektiv. So gibt es auch die Auffassung, dass das, was man Gott nennt, auch die Liebe von Menschen zueinander ist, unabhängig von ihrem körperlichen Geschlecht und dass Gott sich angesichts vieler Anhänger eher an den Kopf greifen würde, vorausgesetzt man unterstellt, dass er einen hat.

    Wie immer man was aus der Warte des Gläubigen interpretiert, ist selbstverständlich jedem persönlich überlassen, problematisch wird es nur, wenn man seine persönliche Auffassung als für andere Menschen verbindlich ansieht. So bin ich persönlich ziemlich hetero und sehr zufrieden damit, jedoch erwarte ich von meinem Nächsen nicht, dass er es ebenso sieht. Und das gilt auch für religiöse Auffassungen, für die als Beleg ein Buch herangezogen wird, das für diese Menschen vielleicht nicht dieselbe oder gar keine Relevanz hat.

    Für das einigermaßen gedeihliche Zusammenleben der Menschheit haben sich ein paar Eckpunkte herauskristallisiert, die auch universell betrachtet als förderlich erkannt wurden. Dazu gehört, nicht einfach plündern zu gehen, wenn man einen neuen Fernseher möchte, oder eben auch, sich nicht gegenseitig umzubringen. Aber die Bibel oder irgendein anderes Buch bzw. Glaubensgerüst als für alle verbindlichen Maßstab anzunehmen, funktioniert in monoreligiös ausgerichteten Gesellschaften, aber nicht mehr in der heutigen, die eben pluralistisch ist.

    Ich denke durchaus, dass man als gläubiger Mensch, z. B. als Christ, durchaus Pirat sein kann, aber eben unter der o. g. Voraussetzung, sonst wird es immer Konflikte oder Reibungspunkte geben. Der besondere Schutz von (konventioneller) Ehe und Familie im GG kollidiert mit dem ARtikel „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“, denn das ist eben nicht so, und das ist für viele Piraten, auch für mich, ein Missstand.

    Viele Grüße
    Anne

    1. Hallo Anne,

      um deine wissenschaftlichen Kenntnisse der hebräischen Bibel beneide ich dich! Als einfacher Informatiker bin ich halt auf die Übersetzungen und Erkenntnisse anderer angewiesen – und profitiere damit auch von Leuten wie dir. Aber das nur am Rande.

      Ja, du hast recht: in unserer pluralistischen Gesellschaft gibt es kein Glaubensgerüst mehr, den alle als verbindlichen Maßstab ansehen. Es gibt ja nicht einmal mehr ein gemeinsames Wertegerüst – höchstens noch einen kleinsten gemeinsamen Nenner, der stetig kleiner wird. Das ist halt das Wesen des Pluralismus, und das bzw. der läßt sich nicht per Beschluß ändern oder abschaffen – ob man das bedauert oder nicht.

      In anderen Gesellschaften ist das anders. Der Islam beispielsweise trennt überhaupt nicht zwischen Staat und Religion. So etwas wie einen religiös neutralen Staat gibt es dort gar nicht. Das religiöse Fundament solcher Gesellschaftsordnungen besteht allerdings aus gesetzlichen Regelwerken, nicht aber auf einer persönlichen Beziehung zu Gott. Was Christen betrifft, so verstehe ich deren Aufgabe nicht darin, anderen Menschen die eigenen Regeln aufzudrücken. Das funktioniert sowieso nicht. Christen sollten ihre Werte nicht für andere, sondern für sich selbst als verbindlich ansehen und selbst danach leben – z.B. Nächstenliebe, Gottvertrauen usw. Das macht den Glauben an Jesus attraktiv und wird den einen oder anderen überzeugen. Aber eben immer freiwillig! Anders geht es nicht. Liebe zu Gott läßt sich nicht verordnen.

      Abgesehen davon, was Christen tun oder nicht tun (sollten), muß sich letztlich jeder Mensch selbst vor Gott dafür verantworten, wie er lebt. Da ist dann aber nur noch das verbindlich, was Gott als verbindlich ansieht. Klar, wer ein Leben nach dem Tod negiert, wird darüber lachen. Aber er könnte danebenliegen.

      Übrigens sehe ich zwischen Art. 3(1) GG und Art. 6(1) GG keinen Widerspruch.

      1. Hallo Rainer,

        die wissenschaftlichen Studien theologischer Inhalte helfen nicht direkt beim Glauben, da man quellenkritisch vorgeht – auch bei der Exegese.

        Dass eine pluralistische Gesellschaft ohne Werte ist, kann ich nicht feststellen; vor allem, da der Humanismus, der Europa sehr nachhaltig beeinflusst hat, auch ein Wertesystem darstellt. Dass es natürlich Menschen gibt, die kein Wertesystem leben oder haben, ist jedoch nicht zu bestreiten. Allerdings habe ich meine Zweifel, ob eine Religion in unserer Zeit da wirklich Abhilfe schaffen kann. Ich habe mich im Studium (2. Hauptfach Kunstgeschichte) recht eingehend mit der mittelalterlichen Volkskultur Mitteleuropas beschäftigt, also mit einer Gesellschaft, die sehr stark von der christlichen Religion bestimmt war. Da gab es einen gewissen Mystizismus, und die Quellen kennen durchaus persönliche Gottesbeziehungen und berichten darüber (interessant sind da übrigens die Berichte über Gruppen, die als Ketzer eingeschätzt wurden). Aber was den mittelalterlichen Durchschnittsmenschen angeht (so weit es überhaupt möglich ist, sich in die mittelalterliche Denkweise hereinzufinden), so hat den nicht immer der aufrichtige Glaube oder die persönliche Gottesbeziehung bei der Stange gehalten, sondern eine Vielzahl von anderen Gründen, von gesellschaftlichen Zwängen, handfesten Strafen, Furcht vor Ausgrenzung bis hin zu der simplen Tatsache, dass der mittelalterliche Mensch die Existenz Gottes oder die Rechtmäßigkeit der Religion kaum hinterfragt hat. Und ob das so viel besser war, wollen wir mal dahingestellt lassen (ich persönlich würde nicht im Mittelalter leben wollen, auch wegen der damaligen Geistesverfassung der Menschen und deren Ergebnissen).
        Auch in der Früh- und späteren Neuzeit dominierte die Religion und ihr Wertesystem die Gesellschaft – aber die Einhaltung derselben ist doch von historischer Warte betrachtet eher mangelhaft.

        So gar nicht konform gehe ich mit Deiner Bewertung des Islam. Zunächst gibt es die Türkei, die vom Selbstverständnis her laizistisch ist. Dass das nicht in allen Einzelheiten und unter jeder Regierung bzw. in der allertiefsten Provinz so klappt wie angedacht, ist klar – aber das tut es hier auch nicht. Auch hier schlagen sich Atheisten und Agnostiker mit Kruzifixen bzw. Kreuzen in öffentlichen Gebäuden herum, mit dem Einzug der Kirchensteuer von staatlicher Seite und mit so manchem Gottesbezug. Dennoch ist die Türkei ein Beispiel für einen säkularen Staat mit überwiegend islamischer Bevölkerung.
        Ebensowenig ist es nicht richtig, dass der Islam keine persönliche Beziehung des Gläubigen zu Gott kennt. Dies wird auch immer wieder vom Judentum behauptet, und auch hier ist es nicht richtig (wobei es umgekehrt mit der persönlichen Gotteserfahrung vieler Menschen, die sich Christen nennen, auch nicht gerade weit her ist). Was jedoch stimmt ist, dass diese Buchreligionen großen Wert auf eine gewisse Ausbildung von Menschen legen, die die Schriften interpretieren, und auch wenn diese Ausbildung nicht immer vor kruden Auslegungen schützt, bin ich überzeugt, dass dies der gesündere Weg ist – der persönliches Gotterleben nicht ausschließt. Ich habe nämlich durchaus das zweifelhafte Vergnügen gehabt, von Laien vorgenommenen Bibelauslegungen beiwohnen zu dürfen, und das war oft schon gruselig und hielt einer umfassenden Betrachtung des Textes nicht stand (auch ohne Kenntnisse der Schriften in Originalsprache), abgesehen von teilweise sehr unchristlichen Auffassungen gegenüber Andersgläubigen, Minderheiten, Andersdenkenden etc – oder auch den eigenen Angehörigen. Bitte nicht falsch verstehen, das gilt natürlich nicht für alle evangelikalen Christen oder Freikirchler. Aber da wird es dann auch problematisch, denn wer will schon wirklich beurteilen, ob hinter dem, was man mit seiner persönlichen Beziehung zu Gott begründet und in seiner Gemeinschaft oder Familie entsprechend durchsetzt, auch wirklich eine von Gott induzierte Erfahrung steht?

        Was schließlich die persönlichen Lebensentwürfe angeht, für die man sich vor Gott rechtfertigen muss (und ob es Gott gibt oder nicht, werde ich hier nicht diskutieren, da ich Glauben nicht mit Wissen verwechsele und auch keinen Sinn darin sehe, Leute zu meiner Überzeugung zu bekehren), so liegt die Entscheidung darüber in der Verantwortung des Einzelnen – und nur in seiner. Jemand, der sich um eine möglichst wörtliche Auslegung der Bibel bemüht, wird überzeugt sein, dass gleichgeschlechtliche Liebe nicht gottgefällig ist (und da auch in der Bibel eindeutige Belege finden), doch das Bemühen um eine staatliche Anerkennung dieser und anderer Beziehungsformen zwingt ja niemanden, homosexuell zu leben und hält auch keinen gläubigen Christen davon ab, seine homosexuellen Neigungen zu bekämpfen, wenn er sie für falsch hält.
        Ebensowenig wird eine Religionsgemeinschaft gezwungen, einem gleichgeschlechtlichen Paar seinen Segen zu erteilen. Es ist ganz im Gegenteil das gute Recht einer Religionsgemeinschaft (und natürlich auch einer freikirchlichen Gemeinde), Trauungen von homosexuellen Paaren abzulehnen und nicht durchzuführen.

        Allerdings hat das mit dem Staat und dem, was er gestattet, nichts zu tun. Wenn nun ein gläubiger Christ der Meinung ist, sich nach seinem Tod für seinen Lebenswandel vor seinem Schöpfer verantworten zu müssen, so ist es aus theologischer Sicht seine Pflicht, sein Leben entsprechend auszurichten. Allerding: sein Leben, nicht das aller anderen.

        Viele Grüße
        Anne

        1. Hallo Anne,

          die Türkei ist nun nicht gerade das erste Land, das mir beim Stichwort »Islam« einfällt. Immerhin herrscht offiziell Religionsfreiheit, obschon das in der Praxis leider anders aussieht.

          Nein, ich denke da eher an Länder wie Iran, Saudi-Arabien, Somalia, die Malediven, wo der Islam Staatsreligion ist und Abtrünnige nicht nur um ihre Freiheit fürchten müssen, sondern auch um ihr Leben – teilweise von seiten des Staates, auf jeden Fall aber seitens der Gesellschaft und der eigenen Familie. Einzelheiten zu einzelnen Ländern kann man im Weltverfolgungsindex 2010 von Open Doors nachlesen.

          Schön, daß du bei allem, was es abseits der evangelischen und katholischen Kirche im christlichen Umfeld so gibt, zu differenzieren weißt! Das freut mich, weil andere durchaus alles in einen Topf werfen und von einer negativen Erfahrung mit einer einzelnen Gruppe oder gar einer einzelnen Person auf die Gesamtheit schließen.

          Was die Richtigkeit von Bibelauslegungen betrifft, so ist deine Frage völlig berechtigt, wer das schon wirklich beurteilen wolle, ob hinter dem, was man mit seiner persönlichen Beziehung zu Gott begründet und in seiner Gemeinschaft oder Familie entsprechend durchsetzt, auch wirklich eine von Gott induzierte Erfahrung steht. Da haben es die Katholiken natürlich leichter, weil sie mit dem Papst eine letztverbindliche Lehrinstanz haben. Als evangelischer Christ bin ich da aber in gewisser Weise piratiger drauf als die Katholiken. Denn das Motto »Denk selbst!« rief schon der Apostel Paulus den Christen seiner Zeit zu, wenn auch etwas anders formuliert. »Prüft aber alles, und nehmt nur an, was gut ist«, schreibt er in 1. Thessalonicher 5, 21. Diese Aufforderung stellt nicht nur den Papst oder berufsmäßige Theologen, sondern jeden einzelnen Christen in die Verantwortung für das, was in seiner Gemeinde gelehrt wird. Das ist besonders dann wichtig, wenn sich jemand auf eine persönliche Gottesoffenbarung berufen. Das ist nicht einfach erfürchtig und kommentarlos zu schlucken, sondern zu prüfen, ob es der Gesamtaussage der Bibel entspricht. Ich persönlich versuche da auch mißtrauisch gegenüber mir selbst zu sein, wenn ich meine, Gottes Reden zu mir gehört zu haben. Zu leicht kann man das, was Gott sagt, mit dem verwechseln, was man selbst wünscht und will. Ich habe das in meinem Beitrag angedeutet.

          Was du im letzten Teil deines Kommentars geschrieben hast, sehe ich genauso. Das ist eben das Wesen der Religionsfreiheit. Die sehe ich in Deutschland weniger durch einen Gottesstaat welcher Couleur auch immer bedroht. Viel realer ist die Gefahr durch Humanisten/Atheisten, die Religion gern aus dem öffentlichen Leben verdrängen und in die private Ecke stellen wollen. Religionsfreiheit schließt aber nicht nur die freie Wahl der eigenen Religion ein (und sei es den Glauben an keinen Gott), sondern auch das Recht, diese Religion auch öffentlich auszuüben und dafür zu werben.

          1. Hallo Rainer!

            Das Humanisten oder Atheisten die Religion in die private Ecke stellen wollen ist in meinen Augen notwendig. Denn Religion ist eine private Sache. Du verwechselt da „aus dem öffentlichen Leben verdrängen“ und „ungerechtfertigte Vergünstigungen und Subventionen abbauen, die anderen Weltanschauungsgemeinschaften nicht zur Verfügung stehen“.

            Ich sehe nicht wo Atheisten und Humanisten Christen an der Ausübung und der Werbung ihrer Religion gehindert würden. Ganz im Gegenteil werden in der Regel Atheisten und Humansiten an der Werbung für ihre Anschauung gehindert. Siehe das prominente Beispiel Buskampagne (http://www.buskampagne.de/).

            Gruß
            Tilman

  8. Ahoi,

    ich hab ja kein Twitter und hatte also bis zu deiner Mail vorhin über die Dortmunder Liste gar nichts mitgekriegt.

    Jedenfalls wäre ein Austritt ein Verlust für uns gewesen – und für dich wohl auch. Deshalb ist deine Entscheidung richtig.

    Den BPT empfand ich generell als wohltuend konstruktiv im Gegensatz zu Bingen und unserer letzten LMV in NRW. Generell, also unabhängig von einzelnen Entscheidungen.

    Ich finde, wir sind weiter gekommen. Gut, dass du dabei bleibst.

    1. Ja, abgesehen vom Was fand ich das Wie auch sehr konstruktiv. Da sind wir auf einem guten Weg!

      Jetzt müssen wir noch zusehen, daß Entscheidungen auf Bundesparteitagen die tatsächliche Stimmungs- und Meinungslage der Piraten widerspiegeln. Im Moment haben wir Zufallsdemokratie oder Zeitelitendiktatur und keine Basisdemokratie – wobei Basisdemokratie im großen Maßstab meines Erachtens nicht funktioniert. Wir sollten verschiedene Alternativen evaluieren! (Damit habe ich das böse D-Wort vermieden. :-))

  9. Freiheit ist eben doch nicht alles.

    Die PP ist eine wichtige Bewegung – es kann einem himmelangst werden, wenn man sihet, wie sehr freiheitliche Grundrechte in den letzten 10 Jahren beschnitten worden sind.
    Demnach ist es logisch gewesen, daß sich eine Partei der Freiheit angenommen hat (nachdem man das von der FDP ja inzwischen vergessen konnte). Nur gibt es für mich einen Unterschied zwischen einem Weltbild oder dem Pol einer Theorie. Freiheit ist für mich der eine Pol, Verantwortung der andere. Und genau das war immer das Problem der PP: man hat sich nur um die Freiheit gekümmert, nie um die Verantwortung. Nur, weil die Freiheit unterrepräsentiert ist in diesem Staate, heißt das ja noch lange nicht, daß sie ein Ideal darstellt.

    Wenn man also ein Parteiprogramm basierend auf diesem Pol erstellt, muß das Ergebnis etwas extrem ausfallen.

    Dennoch: ich möchte nicht, daß die Piraten sich deshalb segmentieren. Sie sind wichtig, denn sie sind Ausdruck des Willens einer Basis, die es satt hat, daß etablierte Politik nur noch schwebt und die Bodenhaftung verliert.

    Also: weitermachen!

  10. Ahoi!

    Ich freue mich, dass Du bleibst. Das vorab. Und über die sozialpolitischen Beschlüsse würd ich gern mal länger mit Dir reden, ich finde sie gut und richtig und sehe darin eher einen Weg aus der Schuldenfalle und aus Bevormundung.

    Den Beschluß zum §173 halte ich für falsch, das habe ich auf unserer Mailingliste begründet. Allerdings sehe ich das Strafrecht als ungeeignet, mit dem Thema Inzest umzugehen.

    Dass eine Lobby, die die Pratenpartei in der Political Correctness Gesellschaft in die Reihe der Randgruppenanwälte einordnen will, ihre „Queerpolitik“ zum Anliegen des Bundesparteitags machen konnte, ist ein Irrweg. Nicht weil diese oder jene Forderung falsch wäre, sondern weil es eine völlig verfehlte Schwerpunktsetzung ist. Das beginnt bei der Übernahme der Sprachregelungen von „Gender“ und „Queer“ und endet beim erhobenen Zeigefinger der linken Mainstreamkultur. Hier sollen Werte verschoben werden und moralischer Druck erzeugt werden. Das ist der Weg der Grünen und wer eine Kopie der Grünen will wird die Piratenpartei zugrunde richten. Mir ist es persönlich egal, wer mit wem warum in welche Betten steigt. Aber mir ist nicht egal, wenn wir Piraten mit diesen Beschlüssen nun in die feministisch geprägte Kultur der Sprachregelungszensur und der bevorzugten Propagierung sexueller Minderheiten gedrängt werden. In dieser Hinsicht leben wir in einem der freiesten Länder der Welt und das ist gut so. Ich sehe keinen Grund, warum die Piraten sich in diesem Themenbereich profilieren sollten statt über die Themen zu reden, die Millionen Menschen wirklich betreffen.

    Ich freue mich jedenfalls, dass Du bleibst! Als Pirat und als Christ.

    Viele Grüße

    Hans Immanuel

  11. Rainer: Wir haben noch nicht so wahnsinnig viel miteinander zu tun gehabt. Aber konstruktive Querdenker wie du einer bist, die sind immer gefragt und sie sind auch wichtig und hilfreich. Von daher wäre es schade, solltest du doch noch über Bord gehen.

  12. Hallo Rainer, Ahoi!

    ich kann Deinen inneren Konflikt um deine Probleme mit den angesprochenen Entscheidungen besser verstehen, als die meisten, die hier geschrieben haben, weil ich aus einer nahezu deckungsgleichen Ausgangsposition ebenso mit diesen Punkten zu kämpfen habe. Auch ich halte sie für eine glatte, grobe Fehlentscheidung.
    Und zwar aus vielfachen Gründen – Hans Immanuel hat Einige genannt. Schwerer aber wiegen die von dir genannten Vorbehalte.

    Dennoch glaube ich, dass aus folgenden Gründen Deine Entscheidung die Richtige ist:
    1)
    Es existiert derzeit keine andere Partei, die sich kompetent [http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33475/1.html] bei wichtigen Themen wie ACTA, Internetsperren, JMStV, SWIFT, indect [http://www.piratenpartei.de/100908-Piratenpartei-veroeffentlicht-INDECT-Dokumente] derart konsequent für Bürgerrechte einsetzt.
    2)
    Wenn wir [Piraten] einmal die Gelegenheit bekommen sollten, als kleiner Koalitionspartner in die Regierungsveranwortung zu kommen, dann halte ich es für wahrscheinlich und hoffe ich, dass diese Fehlentscheidungen Koalitionskompromissen zum Opfer fallen und wir uns auf unsere Kernthemen konzentrieren, um diese durchzusetzen.
    3)
    Der Umstand, dass es gewissen Personen gelungen ist, ihre ganz persönliche Lobbythematik durchzudrücken [und dabei IMO die Piratenpartei beschädigt haben, wie nie zuvor] erfordert es umso mehr, dass sich auch Personen wie du in der Piratenpartei engagieren, die dazu ein Gegengewicht bilden.

    Ich begrüße Deine Entscheidung außerordentlich und hoffe, dass es uns [die wir angesprochenen Entscheidungen für falsch halten] gemeinsam gelingt, diese andere Sichtweise hinreichend einzubringen.

    beste Grüße
    Logos

  13. Hi,

    schön, das du nicht das Hadtuch wirfst, weil du mit einigen Beschlüssen nicht einverstanden bist. Mit einigem bin ich auch nicht glücklich, aber dennoch bleibe ich Pirat.
    Nur möchte ich als säkularer Humanist und Atheist auf auf eine Merkwürdigkeit deiner Argumentation hinweisen. Nur weil das Grundgesetz den besonderen Schutz der Ehe und Familie festscheibt, heißt dass nicht dass andere Gemeinschaften nicht den gleichen Schutz genießen dürfen. Die „Besonderheit“ sollte in dem staatlichem Aufwand gesehen werden, der betrieben werden soll ableitete Rechtsgüter zu schützen. Dem Staat wirden hier also herhöhte pflichten aufgelegt, aber nicht in dem Sinne dass andere diskriminiert werden müssen. Andernfalls bekommt man folgendes Problem:
    Wenn z.B. der Staat Autoherstellern auftragen würde, Auto mit besonderen Konstruktiven Maßnahmen auszustatten, die Kinder Speziell schützen, so ist damit nicht verboten, dass die entwickelten Technologien auch Andere schützen.
    Würde man dein Argumentationsmusste allerdings als gültig ansehen und anwenden, müsste man aber forden, das Maßnahmen die zum Schutz der Kinder gedacht sind andere nicht schützen dürfen, da sie sonst nicht besonders sind. Das halte ich für absurd.
    Um das mal hart Umzuformzulieren: Ich kann aus dem Grundgesetz kein diskrimierungsgebot ableiten. Das wäre eine inkonsistente Interpretation des Selben. Weiter glaube ich auch nicht, dass sich aus dem Christlichen glaube, zwingend ein solches gebot ableiten lässt – aber ich bin kein Christ und das ist nicht meine Weltanschauliche Baustelle. Davon habe ich an anderen Stellen genug.

    Beste Grüße,
    Eike

    1. Ich will jetzt gar nicht in die inhaltliche Diskussion einsteigen. Das war auch nicht das Anliegen meines Blogbeitrags. Dafür habe ich hoffentlich später mehr Zeit.

      Aber du hast natürlich recht damit, daß sich aus dem christlichen Glauben kein Diskriminierungsgebot ableiten läßt.

  14. Liebe Blog-Leser,

    habt ganz herzlichen Dank für alle Kommentare! Wenn ich nicht jeden einzelnen Kommentar beantworte, so laßt einfach das Motto gelten »Schweigen ist Zustimmung«. Vielleicht stimme ich nicht mit jedem Detail überein, kann aber die Gesamtaussage stehenlassen. Nochmals danke für eure Meinungen – auch für die künftigen!

    Viele Grüße
    Rainer

  15. Lieber Rainer,

    der inhaltlichen Argumentation habe ich mich hier
    http://www.wider-die-windmuehlen.de/2010/12/warum-unsere-queer-und-familienpolitik-nicht-nur-nicht-verfassungswidrig-ist-sondern-sogar-verfassungskonformer-als-der-status-quo/
    gewidmet. Kurz die Zusammenfassung vorab: Es gibt keinen Widerspruch zu Art.6.

    Hier möchte dich nur rasch bitten, zukünftig weniger Spekulationen über unsere Personen (also die Antragsteller) anzustellen. Du schreibst z.B.:

    „Und damit es mit der Zustimmung auf dem Parteitag auch bloß klappt, verquickt man seine Ideen noch mit ein paar gutklingenden Sätzen wie dem vom besonderen Schutz von Lebensgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder schwache Menschen versorgt werden. Ach ja, wer wollte auch Kindern oder Schwachen Schutz verweigern?“

    Ich finde es nicht fair, Menschen, die du gar nicht kennst, zu unterstellen, den Schutz von Kindern und Schwachen aus rein strategischen Gründen in ihren Antrag aufgenommen zu haben. Als jemand, der sieben Jahre ehrenamtlich Kindergruppen sowie fünf Jahre ehrenamtlich geistig und körperlich Behinderte betreut hat (wäre ich nicht erst 25, wären diese Zahlen sicher noch größer) kann ich dir versichern, dass mir diese Sätze tatsächlich etwas bedeuten. Das selbe kann ich von meinen Mitstreiter_innen behaupten (Mitantragstellerin war übrigens auch eine verheiratete Mutter von zwei Kindern).

    Ich weiß auch nicht, was du damit meinst, dass hier „eine rührige Truppe von Piraten ihr Lieblingsthema vorantreibt“ – was ist eine rührige Truppe? Vermutlich nichts gutes, oder? Woher weißt du, was unsere Lieblingthemen sind?

    Ich hätte mir gewünscht, dass wir in der Debatte weniger persönlich angegriffen werden und es mehr um Inhalte geht. Aber damit können wir jetzt ja anfangen 🙂

    Liebe Grüße,
    Lena

  16. Liebe Lena,

    ich schreibe dir auf deinen Kommentar und auf deinen Blogbeitrag eine lange Antwort, weil mir für eine kurze die Zeit fehlt.

    Wenn ich mir einen Antragstext durchlese, interessiert mich nicht die Bohne, wer diesen Antrag eingebracht hat. Mich interessieren nur Absicht und Wortlaut des Textes. Wenn du dich als Mitantragsstellerin persönlich angegriffen fühlst, kann ich nur um Entschuldigung bitten. Persönliche Angriffe liegen mir recht fern und sind nicht beabsichtigt! Ich nehme dir und anderen unbedingt ab, daß euch diese Anträge ein tiefes Anliegen sind und ihr die besten Absichten verfolgt.

    Es ist aber andererseits auch kein Geheimnis, daß hinter eurem Antrag nicht nur ihr als Einzelpersonen und formelle Antragsteller steht, sondern eine »kleine größere« Gruppe von Piraten. Ob diese identisch ist mit den sogenannten Queeraten weiß ich nicht, tippe aber in erster Näherung darauf. Daher habe ich ja auch gar nicht von »Antragstellern« geschrieben, sondern von einer »rührigen Gruppe von Piraten«. (Übrigens habe ich wirklich Gruppe und nicht Truppe geschrieben. Der Unterschied mag für manche wichtig sein.)

    Wenn euch meine Bewertung der Anträge nicht gefallen, so müßt ihr euch doch fragen lassen, warum ihr die verschiedenen Themen so stark miteinander verquickt habt. Und warum ihr die Überschrift so gewählt habt, wie ihr sie gewählt habt.

    Wie bereits erwähnt, fehlt mir für eine ausführliche inhaltliche Auseinandersetzung im Moment die Zeit. Außerdem bin ich kein Jurist und erst recht kein Verfassungsrechtler. Na ja, das trifft auf die meisten von uns zu.

    Dennoch habe ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 quergelesen, das du in deinem offenen Brief als Beleg für deine Position anführst (BVerfG, 1 BvR 1164/07 vom 7.7.2009, Absatz-Nr. (1 – 127), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rs20090707_1bvr116407.html).

    Das Bundesverfassungsgericht befindet darin über eine ganz spezielle Frage, nämlich über Ungleichbehandlung bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Was das BVerfG zu dieser speziellen Frage gesagt hat, läßt sich nicht einfach so auf alle anderen Fragen übertragen, bei denen es um Ehe einerseits und eingetragene Lebenspartnerschaft andererseits geht – von weiteren Formen des Zusammenlebens ganz zu schweigen.

    Insbesondere wäre es eine Fehldeutung, aus Art. 3 Abs. 1 GG zu schlußfolgern, alle Menschen seien in allen Situationen ohne Ausnahme gleich zu behandeln. Das BVerfG weiß natürlich um die Spannung zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz in Art. 3(1) und dem Schutzgebot für Ehe und Familie in Art. 6(1). Eine Ungleichbehandlung von Personengruppen kann durchaus verfassungsgemäß sein, wenn dafür gute Gründe vorliegen. Im BVerfG-Urteil liest sich das so: »Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird. Zur Begründung einer Ungleichbehandlung von Personengruppen reicht es nicht aus, dass der Normgeber ein seiner Art nach geeignetes Unterscheidungsmerkmal berücksichtigt hat. Vielmehr muss auch für das Maß der Differenzierung ein innerer Zusammenhang zwischen den vorgefundenen Verschiedenheiten und der differenzierenden Regelung bestehen, der sich als sachlich vertretbarer Unterscheidungsgesichtspunkt von hinreichendem Gewicht anführen lässt (vgl. BVerfGE 81, 208 ; 88, 87 ; 93, 386 ).«

    Im Fall der VBL-Satzung verneint das BVerfG das Vorliegen eines »sachlich vertretbaren Unterscheidungsgesichtspunktes von hinreichendem Gewicht.« In anderen Fragen mag das anders sein.

    Kann man also aus diesem Urteil ableiten, die vom Bundesparteitag beschlossene »Queer- und Familienpolitik« sei nicht nur nicht verfassungswidrig, sondern sogar verfassungskonformer als der Status Quo? Nein, man kann es nicht.

    Liebe Grüße
    Rainer

  17. Lieber Rainer,

    danke für deine ausführliche Antwort! 🙂

    Du schreibst: „Es ist aber andererseits auch kein Geheimnis, daß hinter eurem Antrag nicht nur ihr als Einzelpersonen und formelle Antragsteller steht, sondern eine »kleine größere« Gruppe von Piraten. Ob diese identisch ist mit den sogenannten Queeraten weiß ich nicht, tippe aber in erster Näherung darauf.“
    Nur rasch FYI: Nein, ist sie nicht.

    „Wenn euch meine Bewertung der Anträge nicht gefallen, so müßt ihr euch doch fragen lassen, warum ihr die verschiedenen Themen so stark miteinander verquickt habt. Und warum ihr die Überschrift so gewählt habt, wie ihr sie gewählt habt.“
    Die Reihenfolge in der Überschrift war reiner Zufall.
    Ich denke nicht, dass wir verschiedene Themen verquickt haben: Geschlechter- und Familienpolitik ist nun mal extrem eng verflochten (hat ja auch das selbe Ministerium). „Wer darf Kinder adoptieren?“ gehört als Frage in beide Kategorien gleichzeitig. Ehegattensplitting benachteiligt Familien mit Kindern – und wirkt sich negativ auf die Erwerbstätigkeit von Frauen aus: Beide Kategorien. Kita-Plätze: Gleichzeitig eine Forderung aus der Geschlechter- und aus der Familienpolitik.
    Wir hatten ja extra verschiedene Module gebildet. Dass aus Zeitgründen dann im Block abgestimmt wurde, war eine Forderung aus dem Saal, über die basisdemokratisch abgestimmt wurde und die du nicht uns anlasten kannst.

    Du schreibst weiter:
    „Dennoch habe ich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2009 quergelesen, das du in deinem offenen Brief als Beleg für deine Position anführst (…). Das Bundesverfassungsgericht befindet darin über eine ganz spezielle Frage, nämlich über Ungleichbehandlung bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Was das BVerfG zu dieser speziellen Frage gesagt hat, läßt sich nicht einfach so auf alle anderen Fragen übertragen, bei denen es um Ehe einerseits und eingetragene Lebenspartnerschaft andererseits geht – von weiteren Formen des Zusammenlebens ganz zu schweigen.“

    Ich habe nicht nur ein, sondern zwei Urteile angegeben. Das erste befindet glasklar, dass eine Gleichstellung verfassungskonform ist. Deutlicher kann man´s gar nicht mehr sagen ;).
    Das zweite, von dir hier genannte (mit dem ich dafür argumentierte, dass die Gleichstellung nicht nur konform, sondern sogar geboten sei) behandelt zwar konkret einen Einzelfall, aber die Begründung ist ja grundlegender: Wie du selbst schreibst, wird darin festgestellt, das Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, dass „hinsichtlich der Ungleichbehandlung an ein sachlich gerechtfertigtes Unterscheidungsmerkmal angeknüpft wird.“ Du schreibst: „Im Fall der VBL-Satzung verneint das BVerfG das Vorliegen eines »sachlich vertretbaren Unterscheidungsgesichtspunktes von hinreichendem Gewicht.« In anderen Fragen mag das anders sein.“

    Das ist theoretisch (!) tatsächlich möglich – die Beweislast liegt nun bei den Gegnern der Gleichstellung. Wenn wir aber in die wirkliche Welt gucken, finden kein solches. Es gibt auf dieser Welt kein Kriterium, das immer mit Homosexualität verknüpft ist, und rechtfertigend wirken könnte, um eine Gleichstellung von Ehe und eingetr. Lebenspartnerschaft zu verhindern. Die scheinbar plausibelsten Kandidaten („aus Ehen/Heterosexuellen Beziehungen gehen Kinder hervor“ (Abs. 103), „Ehepartner stehen rechtlich füreinander ein“, „Ehen sind stabil“ (Abs.102), „Kinder sollten bei verheirateten aufwachsen“ (Abs. 104)) verneint das BVG ja alle: Das sind keine Gründe. Und andere, tatsächliche nennt es weder selbst, noch fällt mir einer ein. Fällt dir einer ein?

    Es ist wichtig, festzuhalten, wer hier die Beweislast hat: Derjenige, der gegen eine Gleichstellung argumentiert. Er muss ein solches Kritierium vorbringen.

    Um das Pferd noch mal andersherum aufzuzäumen: Deine Position unterscheidet sich von der des BVG darin, dass du meinst, dass der besondere Schutz der Ehe eine umfassende Gleichstellung grundsätzlich ausschließe. Das BVG sagt aber, eine Gleichstellung ist sogar geboten, es sei denn, man kann in irgendeinem Ausnahmefall einen Grund angeben (hierzu s.o.). Mit Fachvokabular: Pro tanto muss gleichgestellt werden. Du sagst aber: Pro tanto soll nicht gleichgestellt werden. Ihr unterscheidet euch also darin, was ihr als gerechtfertigten Normalzustand betrachtet.

    Liebe Grüße,
    Arte Povera

Hinterlasse einen Kommentar

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..