Uran ist alle? Ach wo!

Dendriten aus metallischem Uran (Quelle: Argonne National Laboratory)

»Uran ist alle«, behauptet Guido Körber (aka @TheBug0815) in einem Blogbeitrag vom 2014-01-03 und beruft sich dabei auf eine IAEA-Studie von 2001. Er wundert sich, wie man angesichts der Gefährdung von Versorgungssicherheit und Preisstablität noch Kernkraftneubauten angehen könne.

Körber irrt gleich in mehrfacher Hinsicht.

Mehr Uran als 2001

Zum einen wurden seit 2001 weitere Uranvorkommen gefunden, die die Versorgung mit Uran-235 zu den heute üblichen Abbaukosten für 80 Jahre sicherstellt. Weitere Vorkommen erfordern mehr Aufwand, reichen aber immerhin 190 Jahre weit. Darin sind noch nicht die Verfahren berücksichtigt, die unkonventionelle Uranvorkommen nutzen, wie Uran im Meerwasser, in Uran in Phosphaten oder Uran in der Asche von Kohlekraftwerken. Natürlich würde der Uranpreis durch solche Verfahren deutlich steigen. Doch auch eine Preisexplosion würde sich auf den Strompreis nur wenig auswirken, da Uran einen äußerst hohen Energieinhalt besitzt und Kernkraftwerke relativ wenig davon brauchen.

Körber ignoriert fast das gesamte Uran

Hauptsächlich ist Uran aber deswegen nicht alle, weil Körber den Großteil des Urans überhaupt nicht berücksichtigt. Wie er schreibt, können herkömmliche Kernreaktoren nur Uran-235 nutzen. Dieses Uran-Isotop mache aber nur 0,7 Prozent des in der Natur vorkommenden Urans aus. Auf diesen Aussagen fußt seine gesamte nachfolgende Argumentation.

Richtig daran ist, daß herkömmliche wassermoderierte Reaktoren in der Tat fürchterlich ineffizient sind und im wesentlichen nur das Uran-235 nutzen können. Die Betonung liegt aber auf dem Wort »herkömmlich«, das Körber selbst verwendet.

Was Körber nicht weiß oder nicht wissen will:

Moderne Reaktoren nutzen auch das Uran-238, also die 99,3 Prozent des Urans, mit denen herkömmliche Leichtwasserreaktoren kaum etwas anzufangen wissen.

Diese sogenannten Schnellen Reaktoren arbeiten mit schnellen, energiereichen Neutronen. Mit der Nutzung des Uran-238 (und der Transurane) erweitern sie die Reichweite der bisher bekannten Uranvorkommen um rund das Hundertfache, also auf mindestens 19.000 Jahre.

Mit dieser Tatsache ignoriert Körber fast das gesamte Uran.

Atommüll als Kernbrennstoff

Doch Schnelle Reaktoren können nicht nur frischen Uranbrennstoff weit besser ausnutzen. Sie verwandeln auch den langlebigen, hochradioaktiven Abfall der Leichtwasserreaktoren von Müll in Brennstoff. Darin stecken immerhin noch rund 96 Prozent der ursprünglichen Energie. Allein unser eigener Atommüll könnte Deutschland 250 Jahre lang mit Strom versorgen, wenn wir den aktuellen Verbrauch annehmen und sogar von einer  Vollversorgung aus Atommüll ausgehen. Das wäre weit besser, als diesen »Müll« in einem Endlager zu verbuddeln, das nicht nur gesucht, sondern auch gefunden werden muß.

Auch das abgereicherte Uran ist Brennstoff für Schnelle Reaktoren. Es dürfte nochmals rund 1.000 Jahre reichen.

Körber könnte dies alles aus zahlreichen Twitter-Unterhaltungen oder aus dem Info-Material der Nuklearia wissen. Er blendet es aber konsequent aus.

2014 leitet neue Kernenergie-Ära ein

Aber diese Reaktoren gebe es doch gar nicht bzw. seien längst gescheitert, behaupten Antiatomaktivisten. Für sie dürfte das neue Jahr einige Überraschungen bringen, denn mit dem BN-800 in Beloyarsk (Rußland) und dem PFBR in Kalpakkam (Indien) sollen 2014 gleich zwei Schnelle Reaktoren ans Netz gehen. Und das sind keine Eintagsfliegen, sondern dürften vielmehr eine neue Kernenergie-Ära einleiten. Denn in Rußland, China und Indien sind weitere Schnelle Reaktoren im Bau oder in Planung. Alle drei Länder setzen strategisch auf diese effiziente und – ich darf das Wort an dieser Stelle verwenden – nachhaltige Klasse von Kernreaktoren. Weitere Staaten sind zumindest in Forschung und Entwicklung dabei.

Thorium

Und wir haben ja nicht nur Uran. Mit Thorium steht uns ein Kernbrennstoff zur Verfügung, der gerade eine Renaissance erlebt – und viermal häufiger in der Erdkruste vorkommt als Uran. Einigen Lesern ist vielleicht noch der Thorium-Hochtemperaturreaktor (THTR-300) in Hamm ein Begriff. Er wurde einige Zeit nach dem Tschernobyl-Unfall letztlich aus politischen Gründen stillgelegt. Zwar hat Deutschland diese kernschmelzsichere Kugelhaufenreaktortechnik aufgegeben, doch hat China sie aufgegriffen. Seit Dezember 2012 baut das Land mit dem HTR-PM einen eigenen Hochtemperaturreaktor.

Man braucht für Thorium allerdings gar nicht unbedingt neue Reaktoren zu bauen, denn viele Leichtwasserreaktoren lassen sich zu Thorium-Brütern umrüsten. Auch CANDU-Schwerwasserreaktoren wurden bereits erfolgreich mit Thorium-Brennelementen betrieben. Diese Möglichkeiten sind bei den gegenwärtigen niedrigen Uranpreisen jedoch unwirtschaftlich. Außerdem vertrüge sich die nötige Wiederaufarbeitung nicht mit dem Atomgesetz – wobei man letzteres mit einer entsprechenden Bundestagsmehrheit natürlich ändern kann.

Besonders spannend finde ich die Forschung und Entwicklung von Thorium-Flüssigsalzreaktoren, bei denen der Brennstoff nicht in Brennelementen steckt, sondern in heißen, verflüssigten Salzen. Zu einer Kernschmelze kann es damit nicht kommen – weil der Brennstoff bereits geschmolzen ist. Diese alternative Art der Kernenergie stammt bereits aus den 1960er Jahren, schlummerte jahrzehntelang in Archiven und wurde erst 2006 wiederentdeckt und aktiv erforscht.

Nachhaltige Kernenergie

Wem Uran und Thorium auf der Erde nicht reichen, wird im Weltraum fündig, zum Beispiel auf dem Mond oder auf Asteroiden. Die Thorium-Vorkommen auf dem Mond sind bekannt. Für die Entwicklung der entsprechenden Raumfahrt- und Abbautechnik haben wir ein paar Jahrtausende Zeit. Das sollte reichen.

Die Welt bleibt nicht stehen, auch nicht die Welt der Kernenergie. Gerade in dieser Zeit geschehen eine Menge spannender Dinge. Mancher Kernkraftgegner ist mit dem, was er über Kernenergie weiß oder zu wissen glaubt, auf dem Stand von vor 30 Jahren steckengeblieben. Schlimmer noch: Fast alle Kernkraftgegner wissen wie fast alle Bundesbürger fast oder überhaupt nichts über Kernphysik und Kernenergie. Ohne wenigstens grundlegende Informationen über ein Thema ist aber keine sinnvolle Diskussion möglich. Leider sind mangelnde Sachkenntnisse jedoch kein Hindernis für sinnloses, faktenbefreites Geschwätz. Wir werden daher wohl noch mehr davon ertragen müssen.

Ach, wie gut wäre es, wenn alle, die mitreden wollen, zuvor ihr Wissen auf den aktuellen Stand brächten! In diese Forderung schließe ich Politiker und Energiewendeenthusiasten ausdrücklich ein. Wenn das jeder täte, hätten wir weniger Falschinformation, weniger Hysterie, mehr Sachdiskussion und mehr politische Entscheidungen, die sich an der Realität orientieren. Denn die Naturgesetze lassen sich durch grünökologisches Wunschdenken und politische Mehrheitsentscheide nicht außer Kraft setzen. Das werden wir noch merken.

Zusammenfassung (TL;DR)

  1. Es gibt mehr als eine einzige Art von Kernenergie.
  2. Der Kernbrennstoff reicht weiter als die Lebensdauer der Sonne. Kernenergie ist erneuerbar.

Quellen

4 Kommentare zu „Uran ist alle? Ach wo!“

  1. „Der Kernbrennstoff reicht weiter als die Lebensdauer der Sonne.“

    Das ist eine etwas kühne Behauptung. Die Sonne hat immerhin eine Lebensdauer von knapp 10 Milliarden Jahren.

    Das Problem würde (ich benutze hier den Konjunktiv, da ich nicht annehme, dass KE eine Zukunft hat) wohl darin liegen, dass mit zunehmendem Verbrauch der Verdünnungsgrad der restlichen Lagerstätten immer höher würde. Bis hin zu den 3mg Uran/Tonne im Meerwasser.

    Wollen wir also die ganze Erdkruste umgraben und alle Weltmeere filtern um noch ein paar Milligramm Uran mehr zu fördern?

    Apropos Sonne. Kernenergiefans sollten endlich erkennen, dass mit Abstand der beste Kernreaktor unsere Sonne ist: zuverlässige Funktion über gewaltige Zeiträume hinweg (siehe oben), integriertes Entsorgungskonzept und garantierte Preisstabilität für die nächsten 5 Milliarden Jahre. Die technische Umwandlung wird in den nächsten Jahren auch immer günstiger und letzten Endes zu einer konkurrenzlos preiswerten Energiequelle führen.

    „Kernenergie ist erneuerbar.“

    Das hängt wohl eher davon ab, wie man „erneuerbar“ definieren möchte. Wie sieht denn die Erneuerbarkeit von Harrisburg, Tschernobyl ud Fukushima aus?

    1. Siehe Artikel: Uran und Thorium lassen sich auch aus dem mehr oder weniger erdnahen Weltraum gewinnen, etwa vom Mond oder von den Asteoriden. Wir haben mehr als genug Zeit, die entsprechende Technik zu entwickeln.

      Und während Three Mile Island, Tschernobyl und Fukushima gern als Inbegriff des Schreckens gehandelt werden, so sind die unterstellten Folgen weitaus weniger dramatischer als die tatsächlichen. Weder in Harrisburg noch in Fukushima ist auch nur ein einziger Menschen durch Strahlung umgekommen. Und obwohl wir durch das Reaktorunglück von Tschernobyl rund 60 Tote zu beklagen haben, so ist dies doch eine verschwindend geringe Zahl gegenüber den eine Million Toten pro Jahr durch Kohle. Selbst die erneuerbaren Energien weisen gegenüber Kernenergie deutlich mehr Tote pro erzeugter Strommenge auf.

      Kernenergie ist nicht nur erneuerbar, sie ist auch die sicherste Energieform und durch ihre äußert hohe Flächenleistungsdichte die mit den geringsten Umweltauswirkungen.

  2. Herr Vennecke, die Sonne ist sicher mit „Abstand“ unsere sicherste Energiequelle.
    Zurück zur Kernenergie: Hier muss ich Herrn Klute recht geben. In den Argumenten sind die meisten Kernenergiegegner in den 80ern des letzten Jahrhunderts technisch und leider auch polemisch stecken geblieben. Es gibt nur wenige. die hier hinzugelernt haben. Und was haben unsere nationalen Gegner erreicht? In Deutschland Österreich und der Schweiz entsteht kein neues KKW mehr, aber in Grenznähe wird kräftig weitergebaut. Big Deal! Anstelle die deutsche Forschung zur Kernenergie politisch zu blockieren, die einmal die Beste in Sachen Kernenergie war, sollte man darüber nachdenken, was uns dadurch verlorenging. Der „Kugelreaktor“ mit sehr geringem nuklearen Abfall zum Beispiel. Sei es gedankt, dass die Forschung in Deutschland noch nicht ganz eingeschlafen ist, und uns mit dem Dual-Fluid-Reaktor ein innovatives Projekt vorstellen kann.
    Und noch etwas zu Tschernobyl. Ein überlebender Liquidator der ersten Tage nach dem Unglück zählt zu meinen Untersuchten in Sachen Strahlenschutz. Zugegeben, wir wissen auch nicht, warum er überlebt hat, und noch weniger, warum er keine einzigen Strahlenschäden zeigt. Wir wissen, dass er dort war im Auftrag der Sowjetarmee, als junger Wehrpflichtiger, und genauso unzureichend geschützt war wie seine inzwischen verstorbenen Kameraden. Mehr Informationen gibt es nicht, da angeblich sämtliche Unterlagen nicht mehr vorhanden sind (Anmerkung: Nichts geht in Russland verloren, als allerletztes Militärdokumente. Nur einsehen darf man diese nur als russischer Staatsbürger mit Sondergenehmigung, und die erhält man nicht einmal unbedingt als ranghoher russischer Offizier).
    Natürlich ist dieser Mann (Russland-Deutscher) für die Tätigkeit in deutschen Kernanlagen auf Lebenszeit gesperrt, aber im Rahmen der Nachsorge aufgrund seiner Vorgeschichte sehr interessant. Gibt es doch einen Anhalt dafür, dass es starke genetische Unterschiede gibt in der Reparaturfähigkeit von Strahlenschäden bei Organismen. Dazu zählen auch Menschen, die in einem mit natürlicher Strahlung hoch belastetem Gebiet leben. Siehe auch: http://www.techniklexikon.net/d/nat%C3%BCrliche_strahlenbelastung/nat%C3%BCrliche_strahlenbelastung.htm
    Das soll nicht heißen, dass Kernenergie und deren Strahlung für jeden Organismus „immunisierbar “ sind und mit der Zeit ungefährlicher in der Einwirkung werden. Dieser kleine Exkurs soll nur anregen über manches nochmal nachzudenken.

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