Aufgeschoben ist nicht aufgehoben

An den Vortrag von Dr. Geoff Taylor im Empire Club of Canada hatten viele Aktionäre Erwartungen an Neuigkeiten geknüpft – ich auch. Indes, das Erreichen des 100-nm-Ziels oder die Bekanntgabe einer Industriepartnerschaft blieben aus. Taylor beschränkte sich zwar auf Bekanntes, doch ließ er an der künftigen Bedeutung von POET keinen Zweifel.

Von der Veranstaltung am 28. April im Empire Club gibt es eine Aufzeichnung, die ich sehr empfehle.

Peter Copetti (Quelle: Empire Club of Canada)

Ferrari unter der Haube

Vorgestellt wurde Dr. Taylor von Peter Copetti, der 2012 zu POET Technologies kam (damals OPEL Solar) und den strategischen Umbau des Unternehmens leitete: weg von einer defizitären Solarbude mit POET als exotischem Technikanhängsel, hin zu einem Innovationsführer in der Halbleiterindustrie.

Copetti erläuterte kurz das mooresche Gesetz, das nach fünfzig Jahren nunmehr sein Ende erreicht habe. Jeder merke ja selbst, daß neue Smartphones keine echten Leistungssteigerungen mehr brächten, während der Akku viel zu schnell leer sei. Nötig seien Geräte mit höherer Geschwindigkeit, geringerem Stromverbrauch, geringeren Herstellungskosten sowie Kompatibiltät mit den in der Industrie vorhandenen Anlagen. Und es gebe nur eine einzige Antwort auf diese Anforderungen: POET.

Er, Copetti, sei Dr. Taylor im Mai 2012 erstmals begegnet. Nur einige der damaligen Vorstände von OPEL Solar hätten an POET geglaubt und ihn dazu überredet, unter die Haube zu schauen. »Was ich fand, war ein Ferrari.« Heute sei POET Technologies schuldenfrei, verfüge über einen Barbestand von 11 Millionen Dollar und sei dabei, die Halbleiterindustrie zu verändern. Ermöglicht habe dies ein einzigartiges Team, vor allem aber Geoff Taylor als brillanter Wissenschaftler, als weltweit führender Experte in Sachen Galliumarsenid-Festkörperphysik, als einer, der dort weitergemacht habe, wo andere aufgegeben hätten. Taylor sei der Grund, warum er zu POET gegangen sei, meinte Copetti und übergab das Wort an den Hauptredner.

Dr. Geoff Taylor (Quelle: Empire Club of Canada)

„Moving light around inside the chip“

Taylor referierte zunächst über die Entwicklung siliziumbasierter Halbleiter in der jüngsten Zeit bis hin zu dreidimensionalen Transistoren (FinFET) und machte deutlich, daß man dort an der Grenze des Machbaren angekommen sei.

Eine wichtige Herausforderung moderner Kommunikationstechnik sei die Umwandlung elektrischer in optische Signale und zurück. Mit Hilfe von Licht lassen sich weit größere Datenmengen in derselben Zeit übertragen als durch elektrische Signale. Das geschieht heute nicht nur über größere Distanzen, nicht nur von Computer zu Computer, sondern sogar auf derselben Platine von Chip zu Chip. Dazu braucht man Konverter, die die optischen Signale empfangen und in elektische umwandeln. Die Datenverarbeitung im Chip erfolgt dann elektrisch, bevor das Ergebnis wiederum in Licht umgewandelt und weitergeleitet wird. Taylor verdeutlichte an zwei Beispielen heutiger Siliziumtechnik, wie aufwendig, groß und energiehungrig solche Lösungen sind. Dem stellte er POET gegenüber, das neben der elektrischen Datenverarbeitung auch die optische ermöglicht und die Konverter erheblich kleiner macht.

POET könne alles das, was CMOS könne, sei zu CMOS kompatibel und biete darüber hinaus zusätzliche Möglichkeiten. Als Beispiele nannte Taylor die optische Taktverteilung innerhalb eines Chips sowie das Konzept eines Smartphones auf POET-Basis, das statt einer Reihe von Chips nur noch einen einzigen benötige.

Taylor schloß mit einer historischen Übersicht der Halbleiterentwicklung seit 1933, zeigte auf, wo Silizium und wo Galliumarsenid zum Einsatz kamen. Er erläuterte welche Verfahren und Komponententypen seiner Meinung nach nunmehr am Ende ihrer Entwicklung angekommen seien. Ab 2015 sieht Taylor POET als das neue Halbleiter-Paradigma.

Der Vortrag hinläßt in mir einen zwiespältigen Eindruck. Zum einen fand ich ihn inhaltlich interessant, vor allem beim zweiten Hören. Der Mann weiß definitiv, wovon er spricht. Die Technik hat Hand und Fuß und ist bahnbrechend. Allerdings: Der Mann ist Wissenschaftler durch und durch. Ein Kommunikator ist er nicht, und sein Vortrag war entsprechend trocken.

Die Zuhörer aus der Finanzwelt werden aufgrund dieses Vortrags nicht aufspringen und POET-Aktien ordern, sondern sich zunächst einmal am Kopf kratzen und fragen, was das jetzt eigentlich war. Einerseits brachten Copetti und Taylor deutlich herüber, daß wir es hier mit einer Revolution in der Halbleiterindustrie zu tun haben, andererseits ging Taylors Vortrag mit Sicherheit über die meisten Köpfe hinweg. Ein klein wenig Vorkenntnisse in Festkörperphysik brauchte man nämlich schon, um das Genie dieses Wissenschaftlers zu entdecken. Nur wer weiß, was Quanteneffekte sind, kann diese würdigen und einschätzen, wie sehr sie Forschern auf dem Weg zu immer kleineren Halbleiterstrukturen das Leben schwer machen. Denn je kleiner diese Strukturen sind, desto gravierender sind diese Effekte und desto mehr beeinträchtigen sie die gewünschten Funktionen. Taylors Ansatz ist ebenso souverän wie pragmatisch: »Wenn die Quanteneffekte überhand nehmen, müssen wir uns die Quanteneffekte halt zunutze machen.« („When the quantum effects take over, we have to use the quantum effects and reap the benefits from quantum computing.“) Wenn Taylor in diesem Zusammenhang ganz nebenbei auch noch von Quantum computing, Qubits und Single-Electron-Transistoren spricht, wird der physikalische Laie nicht erahnen können, welches gewaltige Anwendungspotential sich dahinter verbirgt.

Mit seinem wissenschaftlichen Vortrag enttäuschte Taylor immerhin alle diejenigen positiv, die eine reine Propagandaveranstaltung für die POET-Aktie befürchtet hatten. Denn das war es ganz sicher nicht, und so etwas hätte auch nicht zum Empire Club gepaßt.

Vermutlich wird sich mancher Zuhörer nach der Veranstaltung erstmal schlauzumachen versuchen und verstehen wollen, was es mit diesem Galliumarsenidzeugs eigentlich auf sich hat, wie sich das auswirken wird und was POET für Investoren bedeutet. Daß man daran jedenfalls nicht einfach vorbeigehen kann, macht allein schon die Einladung von Taylor in die »Spirit of a pioneer«- Reihe des Empire Club deutlich,  zum anderen die Tatsache, daß Copetti und Taylor nicht allein auf der Bühne standen, sondern auch Vertreter von Investmenthäusern wie Pinetree Capital, IBK Capital oder Brant, die 2012 ein großes Potential in POET zu erkennen meinten und durch Aktienplatzierungen für die Ausstattung mit Eigenkapital sorgten.

Peter Copetti (Quelle: Empire Club of Canada)

Fragen und Antworten

Während der Vortrag leider über die Köpfe hinwegging, wurde es in der Fragerunde wieder interessanter. Zuerst stand Peter Copetti für Fragen zur Verfügung.

  • Wird der Aktienkurs weiter steigen? Copetti mache sich darum keine Gedanken, sagte er. Für ihn zählt die von Taylor entwickelte Technik. Für ihn zählt sein Managementteam, mit dem er die Technik an den Markt bringen will. Und klar, natürlich wird sich auch der Aktienkurs bewegen und zwar von unten links nach oben rechts – im Unterschied zum mooreschen Gesetz. Denn durch das Ende des mooreschen Gesetzes sei gerade jetzt der richtige Zeitpunkt für POET Technologies gekommen. Vor fünf Jahren sei es dafür noch zu früh gewesen, weil immer noch Verbesserungen möglich gewesen seien. Heute sei Moor’s Law am Ende. Das sei, so winkte Copetti mit dem Zaunpfahl, auch das Feedback der Industriepartner, mit denen POET im Rahmen von Verschwiegenheitserklärungen zusammenarbeite. Der Aktienkurs werde schwanken, aber definitiv nach oben gehen.
  • Was ist die größte Herausforderung für POET? Konzentriert bleiben! POET habe sehr zahlreiche verschiedene Anwendungsmöglichkeiten. Das Unternehmen sei in Sachen Quantum computing unterwegs, und POET arbeite darüber hinaus auch an Dingen, über die das Unternehmen bis jetzt noch gar nicht öffentlich geredet habe. Allerdings sei das POET-Team sehr klein. Es könne nicht alles auf einmal angehen, sondern müsse sich auf das Wesentliche konzentrieren. POET habe daher in der POET Development Alliance (PDA) eine Reihe von Unternehmen zusammengebracht, die miteinander das größere Ziel im Blick haben und ansteuern – offenbar erneut ein Wink mit dem Zaunpfahl.
  • Wie würde eine größere Marktkorrektur die weiteren Schritte von POET Technologies beeinflussen? Wenn der Markt nach unten gehe, könne es schwierig werden, an Geld zu kommen, so Copetti. Aber: »Wir brauchen kein Geld. Wir haben 11 Millionen Dollar und verbrauchen 370.000 im Monat.« Um Marktschwankungen macht sich Copetti keine Gedanken, sondern eher darum, die anstehenden Aufgaben zu erledigen.

Dr. Geoff Taylor (Quelle: Empire Club of Canada)

Danach konnte man Fragen an Dr. Geoff Taylor stellen:

  • Wo sind die Grenzen von POET? Das könne man überhaupt noch nicht beantworten, so Taylor, ähnlich wie in den 1960er Jahren niemand hätte sagen können, wo die Grenzen von CMOS liegen. Taylor erwartet Innovationen auf Basis POET nicht nur durch sein eigenes Unternehmen, sondern auch durch andere, die in Bereichen tätig würden, die sich POET Technologies noch nicht einmal angeschaut habe.
  • Wie schnell können sich Chip-Hersteller auf die Produktion von POET-Chips umstellen? Welche neue Technik wird benötigt? Der Herstellungsprozeß benötige nur minimale Umstellungen, nichts Ungewöhnliches. Damit komme die Industrie gut klar.
  • Hat POET Wettbewerber? Klare Antwort: Nein. Es werde keine zwei POETs geben, sondern nur eines, und damit hat es sich.
  • Was hat es mit anderen Materialien auf sich, zum Beispiel Graphen? In Sachen Optik sei Graphen außen vor, erläutert Taylor. Hochgeschwindigkeitselektronik mit Graphen könne man zwar nicht ausschließen, es gebe aber noch so viele ungelöste Probleme, daß der Erfolg zweifelhaft sei. Mit den vorhandenen Produktionsanlagen sei Graphen ohnehin nicht vereinbar. Möglicherweise gebe es in 20 Jahren etwas, aber auch dann werde Graphen nichts in puncto Optik bieten können, und das sei die eigentliche Herausforderung.
  • Ist der optische Anteil von POET robust genug für praktische Anforderungen? Na klar, denn das ergibt sich aus der Integration der optischen Komponenten im Chip.
  • Werden Sie in einem Jahr immer noch für POET arbeiten oder doch eher für Intel? Taylor lacht: „Well, I hope we have enough pride not to do that!“

Es gab keine Fragen aus dem Publikum, die die POET-Technik als solche oder ihre künftige Rolle in der Halbleiterindustrie auch nur ansatzweise anzweifelten.

Fehlende Neuigkeiten belasten Aktienkurs

Ich gebe zu, ich war zunächst enttäuscht, daß POET Technologies keinen Namen eines oder gar mehrerer Industriepartner bekanntgab. Nicht nur ich hatte mir mehr erhofft, und diese Enttäuschung schlug sich auch prompt im Aktienkurs nieder, der in Toronto auf 2,00 CAD absackte.

Andererseits dürfte dies nur eine vorübergehende Schwäche sein. Denn fundamental hat sich ja nichts geändert. Es gab zwar keine guten Nachrichten, aber es gab auch keine schlechten. Und auch wenn keine Namen von Partnern mitgeteilt wurden, so wurde dennoch erneut klar, daß es diese Partner gibt und daß sie in der PDA mit POET Technologies zusammenarbeiten. Die Technik wird kommen. Nach der von Dr. Taylor präsentierten Zeitschiene werden wir ab 2015 erste Anwendungen sehen.

Die Veranstaltung im Empire Club of Canada dürfte POET Technologies seine Sichtbarkeit weiter erhöht haben. Ob wir demnächst die ersten Analystenkommentare sehen werden?

Auch die auf Veranstaltung im Empire Club vermißten Neuigkeiten werden kommen: 100-nm-Ziel, Namen von Partnern, Pellegrino 2.0. Dann dauert es eben noch ein bißchen länger bis zum nächsten Allzeithoch. Bis dahin werde ich mich nicht durch Kursschwankungen irritieren lassen, kein Stück verkaufen und beobachten, wie der Kurs weitermacht auf seinem Weg von links unten nach rechts oben.


Bitte beachten Sie die Hinweise zu  Risiken und zum Haftungsausschluß!

Werbung

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..