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Sendungsbewußtsein

Heute Mittag habe ich folgendes getwittert:

Diskussion beim #Piraten-Treffen: »Wie kann ich im Bekanntenkreis von meinem Piratsein weitererzählen?« Ich erlebe gerade ein Déjà-vu.

Ein Déjà-vu? Wie das?

Wir saßen mit rund 10 Piraten in Dortmund zu einem Orgatreffen zusammen. Es ging um Stammtische, Infostände und anderen Kram. Und irgendwann kam jemand mit der Frage, wie man eigentlich Menschen im Bekanntenkreis davon erzählen kann, daß man jetzt Pirat ist?

Im Prinzip tun wir Piraten das ja gerne: über Piratsein reden. Das ist uns ein Herzensanliegen. Wir haben erkannt, was richtig und wichtig ist, und das wollen wir natürlich gern weiterverbreiten. Da hängen wir uns rein und opfern Zeit, Kraft und Geld. Aber was ist die richtige Gesprächsstrategie? Wie kann ich überzeugend reden? Im Bekanntenkreis, unter Kollegen oder am Infostand? Das waren so die Fragen, mit denen wir uns beschäftigt haben.

Und ich sitze in der Piratenrunde und kriege große Ohren. Denn diese Fragen und diese Antworten, die kenne ich doch! Und zwar nicht erst die paar Jahre, seit es die Piraten gibt, sondern ein paar Jahrzehnte, nämlich seit ich Christ bin.

Piraten und Christen, beide haben sie ein Sendungsbewußtsein. Beide haben eine Botschaft, die sie der Welt mitteilen und mit der sie die Welt verändern wollen. Und bei beiden ist dieses Sendungsbewußtsein echt. Es ist nicht etwas, das man als Pirat oder Christ mehr oder weniger aus einem Pflichgefühl heraus haben muß. Nein, es kommt aus dem Herzen heraus. »Denn wovon das Herz voll ist, davon redet der Mund!«, nennt das die Bibel (Lukas 6, 45).

Aber dieses Reden ist gar nicht so einfach, denn:

  • Wir wollen nicht peinlich oder aufgesetzt wirken. Gespräche über Politik oder Religion sind ja vielerorts tabu – schade eigentlich!
  • Wir wollen dem anderen nichts »verkaufen«. Piraten stehen für Ehrlichkeit in der Politik. Da können wir unseren Gesprächspartner natürlich nicht mit irgendwelchen Tricks manipulieren und auf unsere Seite ziehen. – Für Christen gilt das Gleiche: Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit im Umgang mit dem anderen sollten selbstverständlich sein, keine Tricks oder Manipulation!
  • Wir wollen den anderen nicht zu irgendetwas drängen. Als Pirat bin ich davon überzeugt, daß unsere Art und Weise, Politik zu machen, genau die richtige ist. Aber ich kann keinen anderen dazu zwingen, das ebenso zu sehen. Ich kann niemanden dazu drängen, Piraten zu wählen oder gar Mitglied zu werden. Ich kann ihn zwar über meine Sicht der Dinge informieren (wenn er sie hören will), und ich kann versuchen, seine Rückfragen zu beantworten, aber alles andere muß er selbst entscheiden. – Als Christ weiß ich, daß Jesus lebt und zu mir steht – eine Erfahrung, die ich jedem anderen ebenfalls wünsche! Aber kann niemanden dazu zwingen, sein Leben ebenfalls mit Jesus zu leben. Ich kann ihn zwar darüber informieren, was es mit Jesus und dem Glauben auf sich hat (wenn ihn das interessiert), ich kann Rückfragen beantworten, so gut ich kann, aber dann muß der andere selbst entscheiden, ob er sich auf Jesus einläßt oder nicht.
  • Wir wollen auf mögliche Gegenargumente vorbereitet sein. Als Pirat am Infostand möchte ich gern präpariert sein auf die Fragen oder Argumente, mit denen jemand auf mich zukommen könnte. In gewissem Maße wird das gelingen, zumindest wenn es um Themen geht, mit denen ich mich auskenne. Selbst Neulinge werden wissen, warum sie selbst Piraten geworden sind. Aber vieles werde ich nicht beantworten können. Da kann ich den Fragenden vielleicht an einen anderen Piraten vermitteln oder versprechen, eine Antwort zu recherchieren. Oder ich ziehe eine Battlecard aus der Tasche und kann damit auf die Frage eingehen. Manches wird trotzdem unbeantwortet bleiben. Und es soll ja auch Leute geben, denen es gar nicht um Antworten geht, sondern die bloß diskutieren wollen. Die meisten haben aber echtes Interesse, und gerade jetzt treten ja viele in die Piratenpartei ein – und daß, wie ich vermute, ohne in jedem Fall das Parteiprogramm gelesen oder alle Unklarheiten beseitigt bekommen zu haben. – Als Christ möchte ich ebenfalls möglichst gut auf Fragen oder Argumente antworten können. Und bei Themen, mit denen ich mich beschäftigt habe, mag das ganz gut funktionieren. Viel wichtiger finde ich aber, erklären zu können, warum ich selbst eigentlich Christ bin. Auch bei Gesprächen zum Christsein gibt es zwei verschiedene Sorten Leute: solche, die bloß diskutieren wollen, und solche, die die Sache mit Jesus für sich wirklich in Erwägung ziehen. Und wer dann ganze Sache mit Jesus macht, dem stehen die entscheidenden Erfahrungen und Erkenntnisse ohnehin noch bevor.

Ich selbst bin ja in beiden Welten unterwegs und finde das außerordentlich spannend. Denn ich kenne Piraten, die sich fürs Christsein interessieren (jedenfalls ein bißchen), und ich kenne Christen, die sich für die Piratenpartei interessieren (jedenfalls ein bißchen). Natürlich kenne ich auch Piraten, die über Christsein und Glauben herziehen, und ich kenne Christen, die die Piratenpartei für unwählbar halten. Beide Seiten haben teilweise gute Gründe, teilweise sitzen sie aber auch Fehlinformationen auf.

Interessant jedenfalls, daß Piraten wie Christen in puncto Sendungsbewußtsein (»Mission«) ganz ähnlich ticken, sich ähnliche Gedanken machen und zu ähnlichen Überlegungen und Lösungen kommen. Vielleicht trägt das ja ein bißchen zum gegenseitigen Verständnis bei.

Doch trotz aller Ähnlichkeit: Piraten wollen bloß die Welt verändern. Für Christen gilt: »Die Welt ist nicht genug.« 🙂