Integrierte Photonik – POET Technologies stellt sich neu auf

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Beim Town Hall Meeting (THM) am 2016-05-17 in Toronto stellte POET Technologies die Unternehmensstrategie nach den Übernahmen von DenseLight Semiconductors und BB Photonics vor.

Zunächst schaute ein wie immer gut gelaunter Executing Co-Chairman Ajit Manocha auf die letzten zwölf Monate zurück und gab einen Ausblick auf die nächsten zwölf: Das vergangene Jahr brachte wesentliche personelle Veränderungen in der Unternehmensführung: Dr. Suresh Venkatesan wurde neuer Chief Executive Officer (CEO), es gibt neue Leute im Managementteam und neue Leute im Board of Directors.

Zuversichtlich: Ajit Manocha

Ajit Manocha

Das neue Team erweiterte die Unternehmensstrategie: weg von der reinen Auslizenzierung der POET-Technik hin zu einem Hybridmodell mit Einnahmen sowohl aus Lizenzen als auch aus dem Verkauf eigener Produkte. Die Übernahmen von DenseLight und BB Photonics seien  wesentliche Schritte zur Umsetzung dieser Strategie, so Manocha. CEO Venkatesan führte dies später detaillierter aus.

Nun gehe POET Technologies daran, die gekauften Unternehmen zu integrieren. Keine leichte Aufgabe, weiß Manocha. Er ist aber zuversichtlich, sie zu bewältigen, habe er doch »in früheren Leben« bereits 20 Firmenübernahmen durchgeführt und werde Venkatesan mit ganzer Kraft unterstützen.

Wer auf detaillierte Zahlen des geplanten Geschäfts hoffte, wurde allerdings enttäuscht. Einen Geschäftsplan legten Manocha und Venkatesan noch nicht vor. Und das ganz bewußt: Man wolle das Geschäft nicht an irgendwelchen vom Himmel gefallenen Zielen ausrichten, sondern sich am Bedarf der Kunden orientieren. Um diese Wünsche kennenzulernen und um POET Technologies und die kommenden POET-Produkte vorzustellen, will Venkatesan in den nächsten drei Monaten Kunden besuchen. POET Technologies hat ja durch die DenseLight-Übernahme einen bestehenden Kundenstamm hinzugewonnen. Die Wünsche dieser Kunden sollen in den Geschäftsplan einfließen.

Anfang des vierten Quartal diesen Jahres will POET eine erste  Guidance geben, also eine Aussage des Unternehmens hinsichtlich der erwarteten Ergebnisse. Doch auch ohne Businessplan und ohne Guidance sind Manocha und Venkatesan überzeugt, im zweiten Halbjahr 2018 ein positives EBITDA zu erreichen, also im operativen Geschäft Gewinne zu erwirtschaften.

Wie kann man eine solche Aussage machen, ohne einen detaillierten Geschäftsplan zu haben? Ich denke, dazu muß man entweder sehr naiv sein, oder man kann bereits die Größenordnungen abschätzen, auch ohne die Einzelheiten zu kennen, in denen sich das Geschäft bewegen wird. Nun sind Manocha und Venkatesan aber keine Neueinsteiger, sondern verfügen über jahrzehntelange Industrieerfahrung. Naiv sind die beiden sicher nicht.

Ajit Manocha weiß, daß er die Geduld der Aktionäre einige weitere Monate auf die Probe stellt. Doch er verspricht: »Wir wissen, daß dies eine lange Reise ist, aber wir machen sie lohnenswert. Wir wissen das. Wir schaffen das.«

Jerry Rodrigues: Firmenkombination ermöglicht Quantensprung

Jerry Rodrigues (r.)

Für das übernommenen Unternehmen DenseLight Semiconductors war der ehemalige CEO Jerry Rodrigues beim THM in Toronto anwesend. In einer kurzen Rede freute er sich auf »spannende Zeiten«.

DenseLight sei, vereinfacht gesprochen, ein Hersteller photonischer Lichtquellen. Die POET-Technik biete nun die Chance, die photonischen DenseLight-Produkte mit der Elektronik zu kombinieren. »Damit haben wir uns 15 Jahre lang intensiv befaßt und auf diesen Augenblick gewartet. Jetzt haben wir die richtige Partnerschaft, um die Sache zum Erfolg zu führen.« DenseLight bringe einzigartige Technik und viele talentierte Mitarbeiter in die Partnerschaft ein, und die Kombination der beiden Unternehmen ermögliche einen Quantensprung zur Umsetzung von Ajit Manochas Vision.

Damit leitet Rodrigues über zu derjenigen Person, die DenseLight auf Herz und Nieren geprüft habe, um sicherzustellen, durch die Übernahme genau das Gewünschte zu bekommen, dem »Rockstar« (Rodrigues) Suresh Venkatesan.

Suresh Venkatesan: Wachstum durch integrierte Photonik

In einem knapp einstündigen Vortrag präsentiert Venkatesan seine Unternehmensvision. „Integrated Photonics – The Next Wave in Photonics Growth“, lautet sein Thema, also »Integrierte Photonik – die nächste Wachstumswelle der Photonik«. Venkatesan will POET Technologies zu einem »One Stop Shop« in Sachen integrierter Photonik entwickeln, zu einem Komplettanbieter mit umfassender Produktpalette in einem schnell wachsenden Markt. Eine strategische Rolle spielen die von POET Technologies gekauften Unternehmen DenseLight Semiconductors und BB Photonics.

Photonik

Was ist eigentlich Photonik? Laut Wikipedia geht es darum, mittels optischer Verfahren, also mit Licht, Informationen zu übertragen, zu speichern und zu verarbeiten.

Datenübertragung

Der heute wichtigste Teilbereich der Photonik ist die Datenübertragung. Um die Jahrtausendwende herum, als sich das Internet durchzusetzen begann und wesentlich leistungsfähigere Netzwerkinfrastrukturen nötig wurden, löste dies die erste Photonik-Welle aus. Glasfaserkabel für den Datentransport über mittlere und lange Strecken kam im großen Stil zum Einsatz.

Dr. Suresh Venkatesan

Jetzt rolle die zweite Welle der Photonik heran, erläutert Suresh Venkatesan. Sie sei größer und nachhaltiger als die erste, denn sie werde vor allem durch den Bedarf von Endnutzern wie Verbrauchern und Anwendern in Unternehmen getragen. 2015 gab es weltweit über 1,6 Milliarden Smartphones. 1,8 Milliarden Fotos werden täglich hochgeladen, und laut einer Cisco-Schätzung sollen es 2018 eine Million Videominuten sein, die wir pro Sekunde im Internet streamen. Immer mehr Unternehmen speichern ihre Daten »in der Cloud«, also auf den Computern von Cloud-Anbietern. Diese gigantischen Datenmengen schlagen sich als Bedarf nach immer höheren Durchsätzen in den Rechenzentren nieder und verlangen nach weiteren Rechenzentren.

Für die Betreiber der Rechenzentren sind die Kosten oberste Maxime. POET Technologies will mit seinen aktiven optischen Kabeln (AOC, Active Optical Cable) Betriebskostensenkungspotential erschließen. Die kurzen und sehr kurzen Strecken sind heute noch eine Domäne der Kupferkabel und recht energiehungrig. Optische Kabel, die die Daten in Form von Lichtsignalen transportieren, verbrauchen zwar viel weniger Strom, sind aber schlichtweg zu teuer. Jedenfalls die heute üblichen. Die optischen POET-Kabel hingegen sollen nicht viel teurer als Kupferkabel sein und dem Anwender dennoch sämtliche Vorteile optischer Kabel bieten. »Was ihr verkaufen wollt, ist genau das, was der Markt braucht«, zitiert Venkatesan typische Aussagen aus der Branche. Auch wenn die POET-Kabel im Verkauf viel preiswerter als andere optische Kabel sein werden, versprechen sie aufgrund ihrer geringen Herstellungskosten dennoch eine hohe Umsatzrendite.

Optische Sensorik

Die optische Sensorik („optical sensing“, „photonic sensing“), ein weiterer Teilbereich der Photonik, befaßt sich damit, optische Informationen mit Hilfe verschiedener Photodetektoren in elektrisch auswertbare Signale umzuwandeln. Die Anwendungsgebiete sind äußerst vielfältig.

Anwendungsgebiete für optische Sensorik

Auf Seite 25 seiner Vortragspräsentation nennt Venkatesan die folgenden Teilgebiete und zählt einige Anwendungen auf:

  • Messen und Prüfen, mit einem Marktvolumen von 10 Milliarden US-Dollar (USD)
  • Überwachung der strukturellen Integrität von Anlagenkomponenten (6 Mrd. USD)
  • Führung und Navigation (4,5 Mrd. USD), zum Beispiel für selbstfahrende Autos
  • Gesundheitswesen (2,5 Mrd. USD), etwa Blutzuckermessungen oder augenärztliche Untersuchungen

Als konkrete Beispiele nennt Venkatesan einen POET-Kunden in Kanada, der die strukturelle Integrität seiner Öl- und Gaspipelines mit Hilfe von DenseLight-Artikeln überwacht. Venkatesan erwähnt auch ein großes Unternehmen in Deutschland, das die strukturelle Integrität der Rotorblätter von Windkraftanlagen mittels optischer Sensorik überwachen will.

Die Einsatzmöglichkeiten optischer Sensorik sind offenbar höchst vielfältig und vermutlich erst ansatzweise ausgelotet. Im Anschluß an die offizielle Veranstaltung zeigte mir Jerry Rodrigues einige der ausgestellten DenseLight-Produkte und erläuterte, eine Windkraftanlage könne mittels optischer Sensorik sogar Änderungen von Windgeschwindigkeit und -richtung bereits in einer Entfernung von mehreren Kilometern erkennen, so daß sich die Anlage rechtzeitig darauf einstellen könne.

Zunehmend finden sich optische Sensoren aber nicht nur in Spezialgeräten, sondern auch als Massenprodukte etwa in Smartphones und Kameras. Für diese Geräte dürfte es künftig viele Ideen für neue Anwendungen geben, so daß sich hier ein großer Wachstumsmarkt auftut.

Wer optisch etwas detektieren will, muß es je nach Anwendung auch geeignet beleuchten. Hier bietet POET mit den DenseLight-Produkten unterschiedliche Arten spezieller Lichtquellen auf Basis des Halbleitermaterials Indiumphosphid (InP) an, insbesondere Superlumineszenzdioden und verschiedene Typen von Lasern. Spannend dürfte meiner Meinung nach die Kombination dieser Lichtquellen mit dem Detektor werden, den POET Ende des Jahres auf den Markt bringen will. Seine Ansprechempfindlichkeit liegt rund 2.000 Prozent über der marktüblicher Produkte.

Augmented Reality / Virtual Reality

Was Augmented Reality (AR) ist, erklärt Venkatesan am Beispiel Iron Man: Der Filmheld sieht in seinem Helm nicht nur die reale Umgebung, sondern erhält auch zusätzliche Informationen eingeblendet. Dazu braucht man Displays mit besonders hohem Kontrastumfang, damit man wirkliche Umgebung und Zusatzinfos sowohl im Dunkeln wie auch im hellen Sonnenlicht gut erkennen kann. Wenn das in der Augmented Reality funktioniert, funktioniert es auch in der Virtual Reality (VR), die sich im Vergleich zur AR auf eingeblendete Bilder und Informationen beschränkt. Marktauguren sagen AR/VR für die nächsten Jahren gigantische Wachstumsraten voraus.

POET Technologies hat in diesem Zusammenhang kürzlich ein Entwicklungsprojekt mit dem Institute of Materials Research and Engineering (IMRE) in Singapur gestartet. Die Forscher untersuchen die Möglichkeit, POET-VCSEL – kleine Laser – als Smart Pixel einzusetzen, die zu einem Mikrodisplay zusammengesetzt sind.

Integration

Integration ist für Suresh Venkatesan der Schlüssel zu Kostensenkungen, die wiederum zu einer breiten Anwendung der kostensenkenden Technik führen. In der Elektronik ermöglichte erst die Integration von Transistoren in Form integrierter Schaltkreise erschwingliche und massentaugliche Computer, wie sie heute als PCs, Notebooks, Tablets und Smartphones praktisch überall zum Einsatz kommen. Neben geringeren Kosten eröffnet Integration auch neue Möglichkeiten in puncto Größe, Gewicht, Stromverbrauch und Performanz.

Integration senkt Kosten

Die POET-Technik erlaubt die monolithische Integration von Elektronik und Optik in ein und demselben Chip auf Basis des Halbleitermaterials Galliumarsenid (GaAs). Das kann sonst niemand. Der entscheidende Unterschied zu Wettbewerbsprodukten: POET integriert auch die Laserlichtquellen monolithisch, während Wettbewerber immer einen externen Laser benötigen.

Integrierte Photoniklösungen wie etwa der für das aktive optische Kabel benötigte VCSEL-Transceiver senken die Kosten an mehreren Stellen:

  • POET kommt mit einem einzigen Chip aus, wo Wettbewerber typischerweise vier benötigen. Hinzu kommt eine Platzersparnis: Vier Chips brauchen 25 mm², POET kommt mit weniger als 5 mm² aus.
  • Der eigentliche Kostentreiber bei Photonik-Lösungen sei aber das Packaging, erläutert Venkatesan. Mehrere Chips kosten nicht nur mehr Geld, sie müssen auch individuell miteinander verbunden werden – ein aufwendiger Vorgang, der die Kosten in die Höhe treibt. Hinzu kommt der Aufwand für die Tests. Da die POET-Lösung alles monolithisch in einem einzigen Chip integriert, entfällt der Zusammenbau komplett. Der Testaufwand sinkt enorm.

POET-Technik mit dramatischen Kostenvorteilen

Komponentenkosten im Vergleich mit dem Wettbewerb

POET Technologies hat durchgerechnet, wie die Herstellungskosten verschiedener POET-Komponenten im Vergleich zu Wettbewerbsprodukten aussehen. Wie die nebenstehende Seite 17 aus Venkatesans Vortrag zeigt, kommt POET selbst im ungünstigsten Fall mit der Hälfte der Kosten aus, die der Wettbewerb benötigt. Im besten Fall, beim einzelnen Detektor, beträgt der Unterschied sogar das 33fache. Sprich: POET braucht für die Herstellung dieser Komponente nur drei Prozent dessen auszugeben, was der Wettbewerb aufwenden muß – ganz zu schweigen davon, daß der POET-Detektor alles am Markt Verfügbare um Längen schlägt. Die POET-Technik bringt also nicht nur Kostenvorteile im Bereich fünf oder zehn Prozent, sondern zwischen 100 und 1.000 Prozent.

Akquisitionen integrieren Experten und Verfahren

Auch DenseLight und BB Photonics bringen die photonische Integration voran, betont Venkatesan, ohne in Einzelheiten zu gehen. Jedenfalls bieten die Akquisitionen in seinen Augen gegenseitige Ergänzungsmöglichkeiten, auch wenn DenseLight und BB Photonics vor allem mit Indiumphosphid arbeiten.

Die Übernahmen führen auch Experten, Verfahren und Patente aus verschiedenen photonischen Fachrichtungen zusammen. Für Suresh Venkatesan ist dies Grundlage für Innovationen und damit Motor stetigen Wachstums. Er erwartet innovative, integrierte Produkte, die jedes Unternehmen auf sich allein gestellt nicht hätte entwickeln können, aber durch die Zusammenarbeit möglich wird. Innovation geschieht, wenn unterschiedliche Experten zusammenkommen, Einblicke in die Technik der jeweils anderen gewinnen und sich Aha-Erlebnisse einstellen: »Oh! Damit kann ich dann ja auch dieses und jenes machen!«

Venkatesan hält große Stücke auf Yee-Loy Lam und Yuen-Chuen Chan, den wissenschaftlichen Köpfen von DenseLight, und auf William Ring und Mirek Florjanczyk von BB Photonics. Alle seien in ihrer Arbeit sehr erfolgreich und besäßen lange Industrieerfahrung. Für eine kreative und erfolgreiche Zusammenarbeit muß natürlich auch die Chemie zwischen den Beteiligten stimmen. Suresh Venkatesan und Ajit Manocha erwecken jedenfalls den Eindruck, daß dies der Fall ist. Venkatesan: »Das kann uns in die Lage versetzen, die POET-Technik auf solche Weisen wirksam einzusetzen, die nicht einmal ich für möglich gehalten hätte.«

Silicon Photonics hat keine Laserlichtquelle

Natürlich ist photonische Integration keine Erfindung von POET Technologies. Andere Unternehmen setzen ebenfalls darauf, beispielsweise mit der sehr erfolgreichen Technik Silicon Photonics. Allerdings fehlt Silicon Photonics etwas Entscheidendes: nämlich – wie bereits erwähnt – die Lichtquelle. Im Silizium, der Grundlage von Silicon Photonics, läßt sich kein Laserlicht erzeugen.

Das sei das Gute an Silicon Photonics, erläutert Venkatesan: Jeder Silicon-Photonics-Chip benötige einen Indiumphosphid-Laser, und den habe POET im Angebot. »Das bringt uns in eine wirklich gute Position, denn als Laser-Anbieter können wir die Silicon-Photonics-Industrie beliefern, während wir gleichzeitig unseren eigenen integrierten Chip als Konkurrenzprodukt herstellen.«

Das Geschäftsmodell

POET Technologies will Geld verdienen durch Entwicklung, Produktion und Verkauf integrierter optoelektronischer Produkte. Dabei konzentriert sich Unternehmen auf große, kommerzielle Märkte, zunächst Datenkommunikation, Telekommunikation, Sensorik und Displays.

»SMAC« als Treiber für den Netzwerkausbau: Social networking, Mobility, Analytics, Cloud

Einen wesentlichen Treiber sieht Suresh Venkatesan im Internet of Things (IoT). 25 Milliarden vernetzte Objekte habe es 2015 gegeben, zitiert er eine Gardner-Studie.

Bei IoT gehe es immer um drei Dinge: einen Sensor, der Daten erfaßt, einen Prozessor, der diese Daten verarbeitet, und natürlich die Datenübertragung.

Märkte, die nicht verbrauchergetrieben oder kommerziell sind – beispielsweise militärische Anwendungen – will POET nicht mit eigenen Produkten beliefern, sondern stattdessen die Technik auslizenzieren oder mit Partnern zusammen Lösungen entwickeln. Derzeit stehe man mit Interessenten aus der Luftfahrt und aus dem Verteidigungssektor in Verhandlungen, erläutert Venkatesan. Lizenzeinkünfte („NRE revenues“) erwartet er innerhalb der nächsten zwölf Monate. Inhaltlich gehe es dabei um Infrarotsensoren und Hochleistungslaser.

Akquisitionen sorgen für Synergien

Von Wavetek gefertigter Sechs-Zoll-POET-Wafer

Für die Produktion hat POET mehrere Optionen. POET kann dank der DenseLight-Übernahme wahlweise in der eigenen Foundry in Singapur produzieren oder bei Auftragsfertigern wie Wavetek. Letzteres bietet sich besonders bei Produkten mit sehr hohen Stückzahlen an, wie dies beim VCSEL-Transceiver für die AOC der Fall ist. Die Kapazität der eigenen Fab will POET jedenfalls ausweiten und die Indiumphosphid- und Galliumarsenid-Produktionslinien von Zwei-Zoll-Wafern auf Drei- oder Vier-Zoll-Wafer umstellen. Das soll in den nächsten zwölf Monaten erfolgen, rund 1,6 Millionen USD kosten und die Kapazität um den Faktor 2,5 erhöhen. Auch das Personal will POET aufstocken. Möglichweise kann POET Technologies in Singapur auch staatliche Fördermittel erhalten.

DenseLight-Vertriebsstrukturen beschleunigen den Markteintritt

Die Übernahme von DenseLight hat POET Technologies unversehens zu einem Unternehmen gemacht, das Halbleiterprodukte nicht nur herstellt, sondern auch vertreibt und Kunden in aller Welt beliefert. Der Umsatz lag 2015 laut POET-Medienmitteilung vom 2016-04-28 bei 2,6 Millionen USD. Trotz eines Rohertrags von über 40 Prozent ist das nicht gerade viel, wenn man bedenkt, daß DenseLight 35 Mitarbeiter beschäftigt. Die Einnahmen durch die aktuellen DenseLight-Verkäufe sind folglich zwar nett, aber nicht das, was POET Technologies entscheidend nach vorn bringt.

Weitaus spannender ist das Vertriebsnetz, das DenseLight in die neue POET Technologies einbringt. Die Distributoren haben bereits DenseLight-Produkte im Angebot, und das ist für den Vertrieb der neuen POET-Produkte von großer Bedeutung. Als Hersteller kann man leicht zu einem Kunden oder Distributor gehen und ihm die Produkte vorstellen, das man neu in sein Angebot aufgenommen hat: »Ach, übrigens, wir haben da zwei neue Artikel: einen Infrarotdetektor mit schier unglaublicher Ansprechempfindlichkeit und ein aktives optisches Kabel für kurze Strecken zu einem unschlagbar niedrigen Preis.« Der Kunde oder Distributor, der den Hersteller kennt und schätzt, wird sich das Produkt näher ansehen und einsetzen beziehungsweise bei seinen Kunden vermarkten.

Ein Neuling am Markt hingegen, wie es POET ohne DenseLight wäre, hätte es sehr viel schwerer: ohne Bestandskunden, ohne Vertriebsnetz, ohne Bekanntheit. Da ist nicht einfach, Kunden zu finden, auch wenn man ein revolutionäres Produkt mit unglaublich guten Eigenschaften anzubieten hat. Oder dann erst recht: »Das ist zu schön, um wahr zu sein. Also ist es wohl nicht wahr.« Natürlich kann man sich Vertriebsstrukturen auch selbst aufbauen. Aber selbst dann, wenn Geld kein Problem wäre, kostete das jede Menge Zeit. 18 Monate, schätzt Suresh Venkatesan, hat die DenseLight-Übernahme auf diese Weise eingespart.

Produktentwicklung wird billiger

Da POET dank DenseLight nun eine eigene Foundry hat, wird die Produktentwicklung billiger, denn nun braucht man nicht mehr alle Entwicklungsarbeiten an externe Partner auszulagern, sondern kann viele Schritte inhouse erledigen. Die Wege sind kürzer, die Abstimmungen schneller. Gleichzeitig werden die Anlagen und Mitarbeiter in der Foundry besser ausgelastet.

Die eigene Foundry bietet aber nicht nur Produktionskapazitäten in einer Niedriglohnregion, sondern auch Anlagen und Personal für Produktentwicklung, Messungen, Test und so weiter. Das ermöglicht kurze Wege und – wichtig – Forschungsergebnisse und Geschäftsgeheimnisse bleiben im eigenen Haus.

Unterschiedliche Produkte ergänzen sich

Galliumarsenid für kleine, Indiumphosphid für große Entfernungen

Die POET-Technik auf Basis Galliumarsenid und DenseLight mit Schwerpunkt Indiumphosphid passen auf den ersten Blick nicht unbedingt ideal zueinander. Doch Venkatesan sieht hier Ergänzungspotential: Galliumarsenid sei auf Wellenlängen bis rund 980 Nanometer (nm) beschränkt, erläutert er, und es eigne sich für die Datenkommunikation auf kurzen Übertragungstrecken. In Weitverkehrsnetzen hingegen kommen Indiumphosphid-Laser mit größeren Wellenlängen zum Einsatz.

Zusammen mit den Akquisitionen kann POET Technologies GaAs-basierte Produkte für die Strecken von 0 – 100 m anbieten und InP-basierte für Entfernungen ab 100 m. Damit will das Unternehmen zu einem Anbieter für den gesamten Kommunikationsmarkt werden.

BB Photonics sorgt für Frequenzstabilität

Venkatesan will aber nicht nur GaAs- und InP-Produkte nebeneinander ins Schaufenster stellen. Wie oben erwähnt, erwartet er vom Zusammengehen von POET und DenseLight neuartige integrierte Photoniklösungen.

Hier soll sich auch BB Photonics einbringen. Das Startup-Unternehmen mit gerade fünf Mitarbeitern hat ein Verfahren zur Frequenzstabilität von Indiumphosphid-Lasern entwickelt. Typischerweise schwankt die Wellenlänge des von einem Halbleiterlaser erzeugten Lichts mit der Temperatur. Das ist ein unerwünschtes Verhalten, weswegen Laser in der Regel gekühlt werden, um die Temperatur und damit die Wellenlänge stabil zu halten. Das Verfahren von BB Photonics kompensiert Veränderungen der Wellenlänge des Laserlichts und hält die Frequenz stabil – unabhängig von der Temperatur. Das macht die Kühlung des Lasers überflüssig und das Produkt billiger, ohne Einbußen bei der Qualität.

Allerdings hatte BB Photonics mangels InP-Fertigung bislang keine Möglichkeit, sein Verfahren in ein Produkt umzusetzen. DenseLight hingegen hat eine InP-Fertigung und InP-Laser, die vom BB-Photonics-Verfahren profitieren können. Paßt!

Dank an Peter Copetti

Nach seinem Vortrag beantwortete Suresh Venkatesan zusammen mit Ajit Manocha eine Reihe von Fragen aus dem Publikum. Zum Abschluß bat Manocha Peter Copetti nach vorn. Er dankte dem ehemaligen CEO herzlich für seine Leistungen. Copetti habe eine große Vision vorangetragen und ihn, Manocha, gleich im ersten Telefonat inspiriert. Ohne Copetti wäre niemand hier.

Bewertung und Ausblick

Während der Zeit, in der ich POET Technologies als Aktionär und Blogger beobachte, hat das Unternehmen eine Reihe von Metamorphosen mitgemacht.

  • 2012 geht das Solargeschäft der damaligen OPEL Technologies den Bach herunter. Peter Copetti stößt zum Unternehmen hinzu und leitet eine Umstrukturierung ein mit dem Ziel, das marode Solargeschäft abzustoßen, das Unternehmen frisch zu kapitalisieren und sich als reine Forschungs- und Entwicklungsgesellschaft ausschließlich auf die POET-Technik zu konzentrieren.
  • 2013 erfolgt der Neustart unter dem Namen POET Technologies. Seinerzeit steht noch die Idee im Raum, die POET-Technik fertig zu entwickeln und dann alles zu einem guten Preis an einen Interessenten zu verkaufen.
  • 2014 übernimmt Peter Copetti kommissarisch die Rolle des CEO. Er sieht POET Technologies nun als eigenständiges Unternehmen, das sich nicht aufkaufen läßt, sondern Geld durch die Vergabe von Lizenzen verdient. Die Entwicklung schneller, preisgünstiger Elektronikkomponenten steht im Vordergrund, die Integration der optischen Komponenten soll später folgen. Copetti bringt Ajit Manocha an Bord, den Ex-CEO den Halbleiterherstellers GlobalFoundries.
  • 2015 übernimmt Suresh Venkatesan, ehemaliger Bereichsleiter Forschung und Entwicklung bei GlobalFoundries, den CEO-Posten. Er erkennt den Wachstumsmarkt Photonik und definiert die Prioritäten neu: Nun stehen die optischen Komponenten vorn, die elektronischen in zweiter Reihe. Venkatesan will nicht nur Lizenzen vergeben, sondern vor allem durch eigene Produkte Geld verdienen.

2016 zeichnet sich ab, daß POET Technologies nicht zuletzt durch die Akquisitionen zu einem »richtigen« Unternehmen wird. Von der Entwicklung über Zulieferer, Dienstleister und Produktion bis hin zum Vertrieb ist im Prinzip jetzt alles am Platz. Mit Photodetektor und VCSEL-Transceiver sind die beiden ersten POET-Produkte in der Entwicklung. Prinzipielle Probleme gibt es dabei nicht. Was jetzt noch geschieht, sind Optimierungen und Fleißarbeit. Was ebenfalls noch passieren muß, ist die Integration der Unternehmen unter dem Dach der POET Technologies und die Vorbereitung des Marktes, die offenbar zunächst durch Ansprache der DenseLight-Kunden erfolgen soll. Hochkarätige Wissenschaftler, Know-how in unterschiedlichen Halbleitermaterialien und vorhandene Infrastruktur bilden die Grundlage für künftige Innovationen und Wachstum.

In meinen Augen sieht das alles sehr, sehr stimmig aus. Analysten dürften wegen der fehlenden Guidance vorläufig aber noch zurückhaltend sein. Sie waren beim THM auch kaum vertreten.

Aktienkurs, Nasdaq und Co.

Der Aktienkurs ging bereits während des Town Hall Meetings deutlich zurück und konnte sich auch an den Folgetagen nicht erholen. Als Gründe dafür wurde in den Foren diskutiert, die Gesellschaft erwarte erste NRE-Umsätze nun in den nächsten zwölf Monaten, während in der Audiokonferenz im Februar noch vom laufenden Jahr die Rede war. Kritisiert wurde auch die Aussage zum erwarteten positiven EBITDA in 2018.

Ich vermute aber eher, daß einige Leute übersteigerte Erwartungen in das Town Hall Meeting gesetzt, auf die Ankündigung einer Partnerschaft mit Apple, Facebook oder Google spekuliert und den Kurs im Vorfeld in die Höhe gezogen hatten. Nachdem die Erwartungen nicht eintrafen, wurde die Aktie verkauft, und der Kurs erreichte wieder sein voriges Niveau. Dort wird er wohl auch bleiben, bis POET Technologies erste Umsätze erwirtschaftet, und zwar aus POET-, nicht aus DenseLight-Produkten. Ich kann mir aber auch einen moderaten und allmählichen Kursanstieg in der nächsten Zeit vorstellen, sollte der Markt POET Technologies und die Unternehmensstrategie besser verstehen. Andererseits haben die Ende April aus dem Unternehmen ausgeschiedenen Geoff Taylor und Peter Copetti nur ein Jahr lang Zeit, ihre Optionen auszuüben. Es handelt sich um insgesamt gut 3,7 Millionen Optionen, und dieser Überhang wird den Kurs belasten, solange die beiden Ex-Mitarbeiter POET-Aktien verkaufen müssen, um Geld zum Ausüben der Optionen zu bekommen.

Der Unternehmensleitung hingegen sind der Aktienkurs, ein Listing an der Nasdaq oder an anderen Börsen herzlich egal, jedenfalls im Moment. »Alles hat seine Zeit«, zitiert Ajit Manocha die Bibel, während er die Frage eines Aktionärs beantwortet. Das Management habe alle Hände voll damit zu tun, das Unternehmen aufzubauen, die Strategie umzusetzen, die Produktentwicklung voranzutreiben und dadurch Shareholder value zu schaffen. Die nächsten 100 Tage sei »umsetzen, umsetzen, umsetzen« angesagt. Da bleibe keine Zeit, über einen Wechsel zur Nasdaq und derlei nachzudenken.

Mir gefällt diese Einstellung, denn sie zeigt, daß bei POET Technologies niemand darauf aus ist, eine wertlose Aktie in die Höhe zu jubeln und mit einem schnellen Kursgewinn Reibach zu machen. Nein, hier wird echte Unternehmenssubstanz geschaffen. Die wird sich früher oder später auch im Aktienkurs niederschlagen, ohne daß man dabei künstlich nachzuhelfen braucht. Die Verkäufer von DenseLight und BB Photonics sehen das offenbar genauso, denn sie akzeptierten den Kaufpreis für ihre Unternehmen in POET-Aktien statt in bar.  Offensichtlich sehen sie in diesem Unternehmen ein Potential, das dem Markt bislang noch verborgen ist. Und soweit sie nun Mitarbeiter von POET Technologies sind, werden sie sich zweifellos für den Erfolg des Unternehmens einsetzen, haben sie doch im Wortsinn »Aktien drin«.

Aktionären dürfte es gefallen, daß für die Hauptversammlung am 2016-07-07 das Thema Aktienzusammenlegung nicht mehr auf der Tagesordnung steht.  Anders als in den beiden Vorjahren wird die Gesellschaft die Aktionäre nun nicht mehr bitten, den Vorstand zu ermächtigen, eine Aktienzusammenlegung („reverse split“) durchzuführen. 2014 hatte allein die Ankündigung dieses Tagesordnungspunktes für psychologisch bedingte Turbulenzen und Druck auf den Aktienkurs gesorgt. Ob das Auslaufen dieser Option dem Kurs aber wirklich auf die Beine helfen wird? Ich bin da eher skeptisch.

Bei der Hauptversammlung will POET Technologies die Aktionäre ähnlich wie in Toronto über aktuelle Entwicklungen informieren.

Die Technik

In seinem Vortrag beim Town Hall Meeting gab Suresh Venkatesan auch einen Überblick über den aktuellen Stand der Produktentwicklung von POET Technologies. Darauf und auf andere technische Aspekte werde ich in einem weiteren Beitrag eingehen.


Titelbild: Von Wavetek gefertigter Sechs-Zoll-POET-Wafer (Ausschnitt). Alle Fotos: Rainer Klute, CC-BY 3.0


In eigener Sache

Meine Blogbeiträge zu POET Technologies sind kostenlos und sollen es möglichst auch bleiben. Informationen zu recherchieren, aufzubereiten und Beiträge zu schreiben, kostet jedoch einiges an Zeit und Aufwand. Wenn dir das Ergebnis etwas wert ist, dann freue ich mich nicht nur über Feedback, sondern auch über die Überweisung eines Betrags deiner Wahl.

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Betreff: POET-Blog. Vielen Dank!


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