Strom: Welche Auswahl haben wir?

Am 2015-09-16 berichtete Zeit Online, nur fünf Prozent der Deutschen wollten künftig Kohleenergie beziehen, Kernenergie nur acht Prozent. Das sei das Ergebnis einer Allensbach-Umfrage, die der Zeit vorliegen. Auf die Frage, wo künftig der Strom herkommen solle, antworteten 80 Prozent mit Sonne, 76 Prozent mit Wind.

Indes, die Frage ist falsch gestellt. Denn sie suggeriert, daß wir tatsächlich jederzeit die Auswahl hätten und uns aus dem Angebot an Solar-, Wind-, Kohle- und Atomstrom wie in der Obstabteilung im Supermarkt  gerade das herausgreifen könnten, was uns am besten schmeckt.

Allerdings: Nachts scheint die Sonne nicht. Dann gibt es keinen Solarstrom. Und wenn der Wind nicht weht, ist auch kein Windstrom im Angebot. Äpfel und Bananen können bei den Deutschen noch so beliebt sein, wenn der Supermarkt keine geliefert bekommt, kann der Kunde nur zwischen Gurken und Zwiebeln wählen.

Bevor kein Strom aus der Steckdose kommt und Wind- und Solarfreunde ohne Internet und Kaffeemaschine im Dunkeln sitzen müßten, dürfte auch ihnen der Strom aus Kohle und Kernen gut genug sein.

Obst kann man lagern, jedenfalls eine Zeitlang. Mit Strom geht das nicht oder jedenfalls nicht in nennenswerten Mengen. Selbst alle Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland zusammengenommen könnten unseren Durchschnittsbedarf gerade mal eine halbe Stunde lang decken. Die vielgepriesenen neuen Speichertechniken sind entweder nicht vorhanden, nur in kleinem Maßstab einsetzbar oder teuer. In jedem Fall aber sind sie völlig unzureichend.

Bruttostromerzeugung in Deutschland 2014 (Quelle: Statistisches Bundesamt)

Statt den Lieblingsstrom der Bürger zu ergründen, hätte Allensbach besser eine andere Frage gestellt: Woher soll der Strom kommen soll, wenn die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht? Dann beschränkt sich die Auswahl auf Kohle, Kernkraft, Gas, Biomasse und ein wenig Wasserkraft. Alle weiteren Stromerzeugungsformen spielen in Deutschland keine große Rolle, siehe Abbildung.

Aber weht nicht in irgendeiner Ecke Deutschlands immer Wind? Selbst wenn das so wäre, dann müßten in jeder dieser Ecken genügend Windkraftanlagen bereitstehen, um den kompletten Strombedarf Deutschlands zu decken, insgesamt also ein Vielfaches der eigentlich nötigen Erzeugungskapazität. Das ist illusorisch.

Ein zweiter Aspekt der Umfrage verändert das Bild nochmals und schränkt die Auswahl weiter ein. Vielen Deutschen liegt offenbar der Klimaschutz am Herzen, denn nur jeder fünfte Befragte gab in der Umfrage an, daß Umweltschützer »den Klimawandel und seine Folgen übertreiben«.

Erklärtes Ziel der Energiewende ist es, die CO2-Emissionen zu senken, um die globale Erwärmung zu begrenzen. Würden wir sämtliche CO2-intensiven Stromerzeugungsverfahren stillegen, blieben von den obengenannten gerade mal zwei übrig: Kernenergie und Wasserkraft. Wasserkraft ist in Deutschland jedoch so gut wie vollständig ausgebaut und reicht vorn und hinten nicht.

Lediglich die ungeliebte Kernenergie hat das Zeug dazu, praktisch beliebige Strommengen rund um die Uhr, wetterunabhängig und CO2-arm zu produzieren. Da Kernkraftwerke emissionsfrei arbeiten, gäbe es saubere Luft obendrein – statt Feinstaub und anderen Schadstoffen.

Apropos Kernkraftwerke: Als Ersatz für Kohle- und Gaskraftwerke wären moderne Reaktoren der vierten Generation besonders geeignet, denn sie könnten auch gleich den Atommüll beseitigen.

Bis sich diese Vision in Deutschland durchsetzt, wird allerdings noch einige Zeit vergehen. Derzeit ist Kernenergie verpönt und der Atomausstieg beschlossene Sache. Abnehmende Versorgungssicherheit und weiter steigende Strompreise könnten den Umdenkprozeß jedoch beschleunigen.

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