Ein Blog-Leser schreibt mir auf meinen Artikel »Taktisch oder strategisch – Wie wähle ich richtig?« und beklagt unter anderem, die Griechenland-Krise habe sein Vertrauen in unsere Politiker und in die Kontrollmechanismen der EU abermals erschüttert. Er denke über die Piraten-Alternative nach, schreibt der Leser. Das freut mich natürlich sehr, und ich wünsche viel Erfolg beim Nachdenken!
Die Frage nach dem Vertrauen ist in der Tat eine grundsätzliche.
Politiker und Spekulanten
»Vertraut endlich den Spekulanten!« überschreibt Gerd Habermann seinen Kommentar in der Welt Online. Er wirft den Politikern vor, ihren Job nicht gemacht zu haben, weil sie die sich anbahnende Krise in Griechenland nicht rechtzeitig erkannt hätten. Nicht die allzu nachsichtige EU-Kommission habe die finanzielle Verwahrlosung Griechenlands offenbar gemacht, sondern es seien die Märkte über die stark steigenden Risikoprämien für griechische Staatsanleihen gewesen.
Ich finde diesen Kommentar sehr lesenswert, auch wenn ich noch nicht weiß, ob ich Habermann in allen Punkten folge. Folgendes jedenfalls wird klar:
- Die Politik hat versagt. Griechische Politiker haben die Krise verursacht; EU-Politiker haben sie nicht rechtzeitig erkannt. Und das Versagen geht weiter: Jetzt versucht man es – wie üblich – mit Schnellschüssen. Man macht Milliarden locker, die man nicht hat, und gibt sie einem Land, das sie wahrscheinlich nicht zurückzahlen kann. Und noch schlimmer: Der Stabilitätspakt ist Makulatur. Versprechen und Vereinbarungen sind nichts mehr wert. Das Vertrauen ist erschüttert. Also eigentlich nichts neues.
- Die Spekulanten sind nicht die Bösen. Sie haben die Krise nicht verursacht. Vielmehr haben sie durch ihr Handeln aufgedeckt, was die Politik am liebsten verheimlicht hätte.
Wem kann ich vertrauen?
Wir sollen den Spekulanten vertrauen, fordert uns Gerd Habermann auf. Ja, die sogenannte »Weisheit der Märkte« mag Entwicklungen viel sensibler und realistischer wahrnehmen als die Politik. Und wenn ich die Finanzmärkte beobachte, kann ich als Staat oder als einzelner vermutlich von der einen oder anderen Erkenntnis profitieren.
Aber ist das Vertrauen auf die Spekulanten wirklich die Lösung? Jedenfalls dann nicht, wenn ich Vertrauen im umfassenden Sinn meine. Einem anonymen Markt bin ich als Person völlig egal. Und Spekulanten sind nicht an mir interessiert, sondern nur am eigenen Gewinn, selbst wenn das für uns alle einen gewissen Nutzen bringen mag.
Daß das Vertrauen auf Politiker nicht gerechtfertigt ist, haben wir längst gemerkt. Ich denke, daß viele Politiker im Unterschied zu Spekulanten tatsächlich das Allgemeinwohl im Sinn haben. Aber vielleicht bin ich da einfach zu naiv. Immerhin besteht zwischen Wollen und Können ein Unterschied, und gut gemeint ist nicht dasselbe wie gut gemacht. Letztlich sind auch Politiker Spekulanten, denn sie spekulieren darauf, daß ihre Maßnahmen erfolgreich sein werden und zum Ziel führen. Nur leider ist bei Politikern in Finanzdingen der Inkompetenzfaktor deutlich zu hoch.
Natürlich kommt dieser Beitrag nicht ohne Plädoyer für die Piratenpartei aus. Die Piraten treten leidenschaftlich für einen transparenten Staat ein und wenden sich gegen Heimlichtuerei in der Politik. Hätten die Griechen transparente Politik gemacht, wäre es gar nicht erst zur Krise gekommen. Denn man hätte dann schon vor Jahren gemerkt, daß etwas aus dem Ruder zu laufen drohte und hätte gegensteuern können, als noch etwas zu machen war.
Ich glaube, daß Transparenz, mehr Bürgerbeteiligung in der Politik und andere Themen der Piratenpartei dieses Land voranbringen können. Daher hier nochmal an aller Leser aus Nordrhein-Westfalen der Appell, bei der Landtagswahl am 9. Mai 2010 die Piratenpartei zu wählen!
Dennoch sind auch Piratenpolitiker oder die »Weisheit der vielen« natürlich nicht automatisch Finanzfachleute oder Experten in allen Arten von Lebensbewältigungsfragen. Auf’s Ganze gesehen setze ich mein Vertrauen daher auf jemanden, der seine Versprechen hält, der an mir persönlich interessiert ist und der die Macht hat, seine Interessen durchzusetzen, auch seine Interessen an mir. Und der den Durchblick hat. Da kenne ich nur einen, und das ist Gott, das ist Jesus Christus. »Alle, die dich kennen, Herr, setzen auf dich ihr Vertrauen. Du lässt niemand im Stich, der deine Nähe sucht«, formuliert es Psalm 9, 11. Es könnte interessant sein, diesen Gott kennenzulernen – und aus dieser Erfahrung heraus Politik zu machen. Aber das ist ein anderes Thema für einen weiteren Blogpost.